Burg oder Bund? Burg Rothenfels und der Quickborn-Älterenbund im Dritten Reich

Aus Romano-Guardini-Handbuch

Freiwilliger Arbeitsdienst auf Burg Rothenfels: Für das Vaterland

Grundsätzlich hatten sich Quickborner schon früh mit der Idee eines Freiwilligen Arbeitsdienstes (FAD) auseinandergesetzt. Auch wenn aufgrund geringer Anmeldezahlen eine eigene Maßnahme des Bundes auf Burg Rothenfels nicht zustandekam, hatten sich Quickborner wie Konrad Theiss (1905-1983) oder Ludwig Neundörfer im FAD engagiert. Einige Quickborner nahmen an Arbeitsdienstmaßnahmen anderer Träger - darunter der Jungmännerverband, der Gesellenverein, die Jungfrauenvereinigungen der KDFB und der Caritasverband - teil (Manfred Göbel: Katholische Jugendverbände und freiwilliger Arbeitsdienst 1931-1933, 2005, S. 222).

Konrad Theiss, ein ehemaliger Schüler von Hermann Hoffmann, stammte aus der Niederlausitz (Döbern) und ging nach dem Abitur nach Breslau, um Theologie zu studieren (vgl. Johannes Binkowski (Hrsg.): Begegnungen mit Konrad Theiss, Aalen 1975). Hoffmann sei als Lehrer „gläubig und tolerant, katholisch und weltoffen“ gewesen (vgl. Konrad Theiss: Vorwort, in: Hoffmann, Hermann: Im Dienste des Friedens: Lebenserinnerungen eines katholischen Europäers, Stuttgart/Aalen 1970, S. 5). Theiss studierte dann in Freiburg Volkswirtschaft und schloß mit einer Promotion in Staatswissenschaft ab. Ab 1932 hatte er über Arbeitslager und Arbeitsdienst publiziert (Konrad Theiß: Jugend auf der Landstraße, in: Jahrbuch der Caritaswissenschaft, Freiburg im Breisgau 1932; ders.: Kameraden im Arbeitsdienst, Freiburg im Breisgau 1932 (Schriften zur Neugestaltung der Jugendhilfe; Heft 2), das 1933 verboten wurde; ders.: Arbeitsdienst als Weg und Vorstufe zur Gemeinschaftssiedlung, in: Caritas, 1932, S. 262 ff.; ders.: Gestaltung des Arbeitslagers, in: Caritas, 37, 1932, S. 422-425; ders.: Die Entwicklung im Freiwilligen Arbeitsdienst, in: Caritas, 37, 1932, 12 (Dezember 1932), S. 606). 1933 wurde er im Referat Jugendfürsorge für die Aufgabengebiete Siedlungsangelegenheiten und FAD zuständig. Von 1940 an war er Verwaltungsdirektor des württembergischen Caritas-Verbandes. Er behielt diese Aufgabe auch über das Ende des Zweiten Weltkrieges hinaus bis zum Jahr 1948 und organisierte in diesem Kontext in den Nachkriegsjahren die Caritasarbeit der Diözese Rottenburg (Rainer Bendel: Die Fremde wird zur Heimat. Integration der Vertriebenen in der Diözese Rottenburg, 2008). Von 1946 bis 1950 war er für die CDU im Landtag in Württemberg-Baden. Außerdem wurde er Verleger der Zeitungen „Schwäbische Post“ und „Gmünder Tagespost und gründete die Thomas-Morus-Gesellschaft. 1956 gründete er den Verlag Heimat und Wirtschaft Aalen, der dann ab 1969 als Konrad-Theiss-Verlag wirkte.

Ludwig Neundörfer wiederum war von 1929 bis 1932 Hilfsreferent im Volksbildungsreferat des hessischen Kultusministeriums sowie Leiter des hessischen Heimatwerkes. Er schrieb zum Arbeitsdienst in den „Werkheften junger Katholiken“ (Ludwig Neundörfer: Kampf um Arbeitsdienst, in: Werkhefte junger Katholiken, 1. 1932, 11, S. 4-6). Dort unterstand ihm die Betreuung der Erwerbslosen und die Organisation des Arbeitsdienstes. Auch nach seiner Entlassung im Jahr 1933 und seinem Wechsel in die Heidelberger Stadtverwaltung, wo er bis 1937 als Stadtplaner arbeitete, blieb er dem Thema weiter verbunden und veröffentlichte eine Schrift über den „Arbeitsdienst als Ernährungmiliz“ (Neundörfer, Ludwig: Arbeitsdienst als Ernährungsmiliz. Hamburg 1934).

Ob die Anfrage eines gewissen Karl Kaufmann aus München am 31. Januar 1933??? schon von diesen neuen politischen Entwicklungen motiviert war, kann offen bleiben. Der ehemalige Landesgeschäftsführer des am 30. Juli 1931 gegründeten und zwei Jahre bestehenden „Volksbundes für Arbeitsdienst in Bayern“ wollte für den Bau der Main-Staustufe auf der Burg Rothenfels ein Arbeitsdienstlager für den „Freiwilligen Arbeitsdienst“ (FAD) einrichten. Karl Kaufmann hatte ebenfalls schon vor 1933 über den Freiwilligen Arbeitsdienst gearbeitet und dies dann lediglich fortgeführt (Karl Kaufmann (Bearb.): Führer durch den freiwilligen Arbeitsdienst, hrsg. vom Volksbund für Arbeitsdienst in Bayern, München 1932; ders.: Die Verwaltung des deutsche Arbeitsdienstes. Entwürfe und Vorschläge, München 1933; ders. Aufgaben der Gemeinden für die Unterkunft des deutschen Arbeitsdienstes, Arbeitsdienst in Bayern und im Reich. München 1933. 1. Jg., Nr. 9; ders.: Praktische Winke für den Zeugmeister und den Quartiermeister im Reichsarbeitsdienst, ..., 1935). Nicht zu verwechseln ist dieser Karl Kaufmann jedoch mit dem Marineoffizier Karl Kaufmann (1893-1975) oder Karl Otto Kaufmann (1900-1969), dem Gauleiter von Rheinland-Nord und Hamburg, der dann ab 1933 Reichstatthalter in Hamburg war.

Während Guardini zunächst bestürzt ist, kann der damalige Vorsitzende Rolf Ammann darin etwas Positives im Sinne einer “Arbeitsbeschaffung für junge Arbeitslose” erkennen (Gerl, 1985, S. 241 f.). Bei Wilmes heißt es dazu: „Guardini war bedrückt über Rolf Ammanns Standpunkt. Er kannte ihn aber genau genug, um zu wissen, dass schwer gegen ihn anzukommen war, wenn es um Sozialprobleme wie die Arbeitsbeschaffung ging“ (Wilmes, Elisabeth, …, S. ???).

Rolf Ammann war zu diesem Zeitpunkt Direktor der Klöckner-Werke in Mannheim (Ebd.). Am Ende sah auch Guardini im FAD das geringere “Übel”. Als Ausgleich mietete Guardini allerdings bald darauf das „Forsthaus Diana“, um der Lärmbelästigung, aber auch der „argwöhnischen Bespitzelung durch die NS-Mitglieder im Arbeitsdienst“ wenigsten „zum Wochenende ausweichen zu können“ (Wilmes, a.a.O., IIA, S. 50). Von einer Bespitzelung seit 1933 spricht auch Jakob Franz („Guardini faszinierte uns“, in: Gymnasium Moguntinum, Dezember 1984, S. 34).

“Guardini wanderte selbst manchmal, während der FAD die Burg beherrschte, mit verantwortlichen Leuten nach `Diana´, um Besprechungen durchzuführen und Pläne auszuarbeiten” (ebd., S. 51).

Ab dem 8. April 1933 begann Rudolf Schwarz mit dem Umbau der Zehntscheune, „Westfalenscheune“ genannt, für den FAD. Der Pfeilersaal wurde ebenfalls als Speisesaal beschlagnahmt. Im Mädchenheim werden Büroräume, aber auch Krankenstuben und die „Kammer“ eingerichtet (vgl. zum Vorgang auch den Bericht von Lene Merz im Burgbrief vom Juli 1933, S. 3 f.). Die Ostertagung (Ostersonntag = 16.4.) konnte aber trotz der Umbaumaßnahmen noch im üblichen Rahmen stattfinden (Gerl, a.a.O., S. 242).

Am 31. Mai 1933 wurden dann die letzten Räume dem FAD übergeben. Die Burg nannte sich nun fortan „ARDL – Dr. Hermann Griebl, Rothenfels am Main“. Hermann Griebl (1895-1936) war der zuständige Kreisleiter von Würzburg. Der Katholik, Weltkriegsoffizier und promovierte Wirtschaftswissenschaftler und Bankkaufmann gehörte dort „zu den höchsten Kreisen der Partei“ (???). Er war zunächst Stabsleiter des Arbeitsgaues 28 (Franken) gewesen, also eines Arbeitsdienstführers. Nach der Machtergreifung übernahm er kommissarisch die Leitung des Würzburger Arbeitsamtes (Peter Weidisch: Die Machtergreifung in Würzburg 1933, 1990, S. 130). Er war vom 5. März 1933 an bis 1934 ehrenamtliches Mitglied des gleichgeschalteten Würzburger Stadtrates. 1934 wurde er schließlich in die Reichsleitung des „Deutschen Arbeitsdienstes“ (DAD) nach Berlin befördert (Ingrid Eyring: „—bin ich mir der Verantwortung bewußt, die ich mit meinem Amt auf mich genommen habe“: Aspekte der Verwaltungs-, Wirtschafts- und Kulturgeschichte Würzburgs im 19. Und 20. Jahrhundert, 2002, S. 85, FN 163).

Am 11. Juni 1933, dem Sonntag nach Pfingsten, wurden die entsprechenden Bereiche auf der Burg dann auch von Romano Guardini als Arbeitsdienstlager eingeweiht. In seiner Ansprache vor 300 Freiwilligen und SA- bzw. SS-Angehörigen mit dem Titel “Vaterland”, die später im ersten „offiziellen“ Rothenfelser Burgbrief vom September/Oktober 1933 erschien (Romano Guardini: Vaterland. Ansprache in der Heiligen Messe am Tage der Hausübernahme des freiwilligen Arbeitsdienstes auf Burg Rothenfels, in: Burgbrief, 1933, Nr. 1 (September/Oktober), S. 1-3; eingegangen in: Wurzeln eines großen Lebenswerkes, Band III, 2002, S. 119-123), ging Guardini von vier Worten aus, von denen jedes etwas Anderes sagen und doch alle die eine, nämliche Wirklichkeit meinen würde: “Vaterland”, “Heimat”, “Volk” und “Staat”. Während Vaterland etwas Großes ausdrücke, schwinge im Wort Heimat etwas Innerliches, Inniges. “Auf das Vaterland stützt sich der freudige Stolz. Zur Heimat laufen die Wurzeln des Herzens” Beide Begriffe bezögen sich jedoch auf Raum und Welt, während die anderen beiden “Volk” und “Staat” auf Gebilde und Ordnung zielten. Volk meine “die Menschen, die durch gleiches Vaterland und gleiche Heimat zusammengehören.” Staat dagegen nenne “die Ordnung, die das Volks sich setzt: die Verfassung, die es sich gibt; das Recht, das es aufstellt, damit es in Ehren unter den anderen Völkern dastehe. Staat ist die Weise, wie ein Volk in der Geschichte mündig wird, Verantwortung übernimmt und handelt” (Burgbrief, a.a.O., S. 1). In dieser unterschiedlich bezeichneten Wirklichkeit liege jeweils ein Geheimnis (der heiligen Führung) Gottes und somit ein heiliger Kern. Der „Staat“ werde zwar gebaut durch “die Menschen, Menschenkraft und Verstand und Treue. Aber was zu innerst im Staate liegt, Hoheit, Recht, Autorität, das kommt von Gott und lebt nur, wenn der Staat Gott fürchtet” (ebd., S. 2). Einerseits stünde man nur richtig in Volk und Staat, wenn man „auf die Frage, wer Volk und Staat schafft,“ unwillkürlich sich selbst nenne. Volk und Staat werde geschaffen durch das, was einer sei und wie er sein “tägliches Werk verrichte”. Die Verantwortung des Einzelnen stehe am Anfang der Volks- und Staatswerdung „Immerfort wird Staat in der Weise, wie ein Mensch zum anderen Menschen steht; wie er Ehrfurcht übt, Treue hält, die Sache des Anderen ehrt, Gerechtigkeit wahrt, das Ganze im Sinne trägt. Volk und Staat, Vaterland und Heimat werden nicht durch Zauber. Jeder arbeitet daran. ... Jeder an seiner Stelle” Wenn der freiwillige Arbeitsdienst diesem Schaffen diene, werden in ihm “alle vier Dinge, die nur Eines sind”, leben (ebd., S. 2 f.).

Für die nächsten zwei Jahre wehte somit die Hakenkreuzfahne vom Bergfried. Elisabeth Wilmes schätzte die ambivalente Situation im Rückblick für Guardini wohl zutreffend so ein: „Durch die Einrichtung des FAD-Lagers hatten nationalsozialistische Führer höchsten Ranges Rothenfels ins Auge gefasst. Es drohte die unverzügliche Umwandlung des Quickbornhauses in eine nationalpolitische Schulungsstätte, verbunden mit dem Verbot der Quickborn-Bewegung“ (Wilmes, a.a.O., IIB, S. 10 f.).

Allerdings kam der Burgleitung in ihrem Bemühen, die Burg und den Quickborn zu erhalten, ein persönliches Schicksal zu Hilfe. Frau Griebl erkrankte schwer und vor allem die Schwestern Lene und Elisabeth Merz kümmerten sich sehr um die Frau des Kreisleiters. Aus Dankbarkeit nahm Hermann Griebl die Burg und ihre Existenzen „unter seinen Schutz“ (Wilmes, a.a.O., IIB, S. 4). Er nahm auch auf Romano Guardinis Wirken Rücksicht und gab an den Lagerleiter vor Ort die private Weisung, die Leute auf der Burg zu schonen und die religiösen Veranstaltungen nicht zu stören (Wilmes, a.a.O., IIB, S. 6). Auch die Frau des Vorgesetzen selbst tat ihres dazu: “In ihrer Würzburger Wohnung fanden Besprechungen auf höchster Partei-Ebene statt, die dem Schicksal der Burg galten. Man hätte gern die Erlasse Baldur von Schirachs angewandt und das Anwesen übernommen. Frau Griebl gab aus eigener Anschauung die Nachteile der unmodernen Gebäude zu bedenken, vor allem das unlösbare Heizungsproblem und die Unzweckmäßigkeit der Schlaf- und Speisesäle.“ Stattdessen wurde also „vorgesehen, die Burg nach Fertigstellung der Staustufe freizugeben“ (Wilmes, a.a.O., IIB, S. 6). Aufgrund dieser Rücksichtnahme von Seiten Griebls zeigte sich auch die Burgleitung immer wieder kompromissbereit.

Seit 13. Oktober 1933 wurde zusätzlich die Mädchen- und Jungenherberge durch den FAD belegt (Wilmes, a.a.O., S. 25).

Am 20. Januar 1934 sprach Guardini mit Görner im Anschluss an einen Brief von Hans Waltmann davon, dass das Darlehen und der Ausbau für den FAD ein Risiko sei, „aber besser, es wird um etwas gespielt, als dass die Burg allmählich absackt. Wenn der FAD herunter ist, dann ist die Burg nicht mehr zu halten, dann wird sie von der Hitlerjugend übernommen werden” (Wilmes, a.a.O, IIB, S. 5 f.). Dieses Darlehen steht im Zusammenhang mit dem am 7. Februar 1934 mit der Rhein-Main-Donau A.G. geschlossenen Vertrag für den Weiterausbau der Zehntscheune (Wilmes, a.a.O., S. 25).

Im Frühjahr 1934 gab die FAD den Pfeilersaal an die Burgverwaltung „in üblem, verbrauchtem Zustand“ zurück (Wilmes, a.a.O., S. 26).

Die Einquartierung des FAD endete vorzeitig am 25. September 1935. Dazu heißt es am 10. Oktober 1935 in der Burgchronik: „Leider war es durch das vorzeitige Abrücken des Arbeitsdienstes nur möglich, 10% der von der Rhein-Main-Donau AG gegebenen Darlehenssumme von 35.000.- Mk zu tilgen“ (Wilmes, a.a.O., S. 28). Wie erwartet, wurden die Räume in schlechtem Zustand übergeben.

Gleichzeitig nahm die Überwachung in der Folgezeit lediglich andere, vor allem „ungeschütztere“ Formen an (Gerl, a.a.O., S. 242). Bis dahin war allerdings zwei Jahre lang religiöse und letztlich auch katholisch-weltanschauliche Arbeit auf der Burg möglich gewesen.

Der Kampf um die Jugendburgen

Wie die Erwähnung des Reichsjugendführers der NSDAP, Baldur von Schirach (1907-1974), durch Wilmes bereits andeutete, wurden die mit seinem Namen verbundenen Entwicklungen für den Fortbestand der Burg bzw. des Bundes relevant. Von Schirach hatte diese Aufgabe seit 30. Oktober 1931 inne, dehnte aber seinen Wirkungskreis nun seit der Machtergreifung weit über die Hitler-Jugend aus bzw. versuchte neues Terrain für die Hitler-Jugend zu "erobern", insbesondere auch auf die Prestige-Objekte der Jugendbünde, ihre Jugendburgen.

Am 30. März 1933 hatten sich die meisten der Bünde der Jugendbewegung als Gegengewicht zur Hitlerjugend zum „Großdeutschen Bund“ unter dem allerdings greisen Admiral Adolf von Trotha zusammengeschlossen, um so das Überleben eigenständiger Jugendbünde sicherzustellen. Dazu gehörten die Deutsche Freischar, der Deutsche Pfadfinderbund, die Ringgemeinschaft Deutscher Pfadfinder, Bund der Geusen (darin: Großdeutsche Jungmannschaft) und die Freischar junger Nation. Obwohl sich der Bund im April 1933 zum Nationalsozialismus bekannte, wollte man sich nicht der Hitlerjugend anschließen. Beim einzigen Bundestreffen der Großdeutschen am 4./5. Juni 1933 verbrannte man Uniformen der Hitlerjugend und sang Spottverse auf Baldur von Schirach. Dies führte zur Auflösung des Treffens (vgl. dazu Kurt Schilde: Großdeutscher Bund, in: Wolfgang Benz/Hermann Graml/Hermann Weiß (Hrsg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus, Stuttgart 1997.

Der Bestand der Burg Rothenfels auch für die katholische Jugendarbeit im Sinne des Quickborn schien für Guardini zwar zumindest so lange gesichert zu sein, als der FAD auf der Burg war. Langfristig stellte sich ihm jedoch angesichts der gesamten Entwicklung die schwierige Alternative, zwischen Burg und Bund entscheiden zu müssen. Denn bereits im März 1933 warb die Hitler-Jugend propagandistisch unter der Überschrift „Deutsche Jugend marschiert“ für den Eintritt in ihre Organisationen: „Durch jahrelange Unterdrückung gefesselt und gebunden, von dem Willen beseelt, an der Schaffung eines neuen Deutschlands regsten Anteil zu nehmen, durch das Volksurteil vom 5. März von den Ketten befreit, greift die Jugend nunmehr an und fordert ihr Recht! Deutsche Jugend will den neuen Staat mitaufbauen. Deutschlands Zukunft ist seine Jugend! Drum unsere Forderung: hinein in unsere Reihen, hinein in die Hitler-Jugend!“ (zitiert nach http://www.wir-rheinlaender.info/app/Rheinlaender/index.aspx, Eintrag zum 16.03.1933: Aufruf zum HJ-Beitritt - Datenbank Navajos und Edelweißpiraten).

Im 5. April 1933 überfiel Hitler-Jugend-Obergebietsführer Karl Naberberg mit 50 Hitlerjugend-Mitgliedern im Auftrag von Baldur von Schirach das Büro des „Reichsausschusses deutscher Jugendverbände“ und entwendeten Akten (zu den nachfolgenden Angaben über die Person und Karriere Baldur von Schirachs siehe: Schirach, Baldur von: Ich glaubte an Hitler, Hamburg 1967; Wortmann, Michael: Baldur von Schirach. Hitlers Jugendführer, Köln 1982; Lang, Jochen von: Der Hitlerjunge. Baldur von Schirach, der Mann, der Deutschlands Jugend erzog, München 1991). Schirach veröffentlichte unterdessen in der Zeitschrift „Das Junge Deutschland“ einen Aufruf „Deutsche Jugend!“, worin es noch hieß: „Es ist für mich eine Selbstverständlichkeit, dass das Eigenleben der Verbände unangetastet bleibt, dass ihnen in freiem Wettbewerb der Kräfte der Spielraum gewährleistet wird, dessen sie zu ihrer Entfaltung bedürfen.“ Freilich wurde diese Formulierung bereits eingeschränkt durch den nachfolgenden Passus: „Ebenso selbstverständlich muss es aber auch sein, dass jeder Versuch eines Bundes, Verbandes oder Vereins, diese Freiheit zu Handlungen zu missbrauchen, die sich mit den Zielen der Regierung der nationalen Revolution nicht vereinbaren lassen, schnell und ohne falsche Rücksichtnahme unterdrückt wird.“ Mit dieser Begründung schloss er zeitgleich sämtliche jüdischen und marxistischen Jugendverbände aus dem Reichsausschuss aus. Der Aufruf endete mit dem Wunsch, dass die deutsche Jugend mehr und mehr erkennen möge, „dass Jugendarbeit Staatsarbeit sein muss!“ (Das junge Deutschland, 27, 1933, H. 4/5 (April/Mai), S. 97f. zitiert nach in: Jugendverbände und Nationalsozialismus, a.a.O., S. 12).

Am 9. April 1933 wurden im Quickborn bei Aussprachen während des Ostertreffens bereits „die Befürchtungen der behördlichen Verfolgung laut“ (Wilmes, a.a.O., IIB, S. 10).

Diese steigerten sich, als am Tag darauf, dem 10. April 1933, der „Reichsverband für deutsche Jugendherbergen“ im Auftrag von Schirachs durch ein HJ-Kommando besetzt und zerschlagen wurde.

Auch das Schicksal anderer Jugendburgen mahnte. So hatte die NSDAP bereits am 15. April 1933 die Burg Ludwigstein übernommen und richtete dort am 12. November 1933 eine HJ-Gebietsführerschule ein. Das anfangs halbwegs erträgliche Miteinander zwischen der freien Jugendbewegung und der Hitlerjugend wurde aufgrund der bald folgenden Verbote der bündischen Jugend erschwert. Als 1939 auch die „Vereinigung zum Erwerb, Wiederaufbau und Erhalt der Burg Ludwigstein bei Witzinghausen an der Werra“ verboten und die Burg dem „Reichsverband für deutsche Jugendherbergen“ übergeben wurde, wurde rasch ein „Freundes- und Fördererkreis des Ehrenmales Jugendburg Ludwigstein“ gegründet, um zumindest das umfangreiche Reichsarchiv der deutschen Jugendbewegung sichern zu können. Doch auch dieser Kreis wird am 17. September 1941 von der Gestapo aufgelöst, das Archiv 1942 in das Reichsinstitut für nationalsozialistische Jugendarbeit nach Berlin überführt, wo es in den Kriegswirren verloren geht (siehe http://www.burgludwigstein.de unter Burggeschichte und Vereinigung). Die Burg Ludwigstein war auf Initiative vor allem von Enno Narten (1889-1973), der schon seit 1908 im Wandervogel aktiv war, 1920 erworben und als Jugendburg für die Bünde der Jugendbewegung ausgebaut worden. Narten war von 1920 bis 1925 Geschäftsführer der Vereinigung zur Erhaltung der Burg Ludwigstein.

Auf Burg Rothenfels konnte sich Guardini dagegen sogar noch grundsätzlichere Zukunftsgedanken machen. Weil Guardini durchaus Verständnis dafür aufbrachte, dass viele im Quickborn die Burg Rothenfels „nicht im Sinne einer Akademie geführt haben wollte und daraus mancher jugendbewegte Unmut entstand“, trug er sich kurzzeitig mit dem Gedanken, „eine Akademie für Geistes- und Naturwissenschaftler zu gründen.“ Dazu fuhr er an Ostern 1933 (Ostersonntag=16. April) mit der schon bekannten Nelly Planck und anderen „zu einem Schlösschen im Spessart, um es für die geplante Neugründung in Augenschein zu nehmen.“ Dieses stellte sich allerdings als zu abgelegen heraus (Gerl, a.a.O., S. 161 unter Berufung auf eine mündliche Mitteilung von Mathilde Schütter, München, vom 19. Oktober 1984). Eventuell handelte es sich um das abgelegene Schloß Mespelbrunn, das dem Philipp Rudolf von Ingelheim (1883-1933) genannt Echter von und zu Mespelbrunn, seit 1911 erblicher Reichsrat der Krone Bayern und Ehrendoktor der Universität Würzburg, und seiner Frau Leopoldine Johanna Schenk von Stauffenberg (1887-1975), Cousine der Widerstandskämpfer Berthold (1905-1944) und Claus Schenk von Stauffenberg (1907-1944), gehörte.

Außerdem hätte eine Akademie zu diesem Zeitpunkt eine weitere Aufsplitterung innerhalb des Quickborn bedeutet und nicht zuletzt die Burg als Rückzugsort in Gefahr bringen können.

Im Mai und Juni 1933 holte Guardini laut Wilmes Informationen über die neue Entwicklung „bei Autoritäten der Kirche und des politischen Katholizismus“ ein (Wilmes, a.a.O., IIB, S. 10).

Die entscheidende Antwort auf Guardinis Fragen gab aber letztlich die Ernennung Baldur von Schirachs zum „Jugendführer des Deutschen Reiches“ am 17. Juni 1933. Noch am selben Tag ließ dieser zunächst den Großdeutschen Bund und am 22. Juni 1933 auch den „Reichsausschuss deutscher Jugendverbände“ auflösen. Damit waren innerhalb einer Woche alle - außer den konfessionellen - Jugendverbände entweder aufgelöst oder in die Hitler-Jugend eingegliedert worden (zur Konzeption der Hitler-Jugend im Nationalsozialismus siehe Schirach, Baldur von: Die Hitler-Jugend, Berlin 1934). Gegen die Auflösung des Großdeutschen Bundes legte sogar noch Reichspräsident Hindenburg Protest ein, aber ohne Erfolg. Am 28. Juni 1933 blieb Admiral Adolf von Trotha keine andere Chance mehr, als für diesen Bund intern die sofortige Eingliederung in die Formationen der Hitler-Jugend zu befehlen. Am 15. Juli 1933 teilte Reichskanzler Hitler dem Reichspräsidenten auf dessen Protest bezüglich der Jugendbewegung hin nur noch mit, dass „in der deutschen Jugend ... eine so große Sehnsucht nach Einigkeit“ herrsche, „dass aus ihrer überwältigenden Masse heraus kein Verständnis für eine weitere Aufrechterhaltung der Zersplitterung der Jugendbewegung aufgebracht wird“ (Michael Wortmann: Baldur von Schirach – Hitlers, Jugendführer, Köln 1982, S. 109. Vgl. dazu Baldur von Schirach: Revolution der Erziehung – Reden aus den Jahren des Aufbaus, München 1938; (2)1939; (3)1942; (4)1943).

Die Fortsetzung des Kampfes um die Jugend und sein Verlauf sprechen durchaus für Guardinis Weitsicht in der Führung der Burg. In keinem Falle können jedoch seine Entscheidungen und Aktionen in dieser Zeit als „unpolitisch“ eingestuft werden. Immerhin hat der Reichsjugendführer Baldur von Schirach in seiner Rede vom 24. Juni 1933 unmissverständlich gedroht: „Ich werde meine Haltung gegenüber diesen Verbänden abhängig machen von dem Verhalten dieser Verbände selbst. ... Ich würde mich nicht scheuen, alle die Jugendorganisationen aufzulösen und zu verbieten, die sich in irgendeiner Form dem revolutionären Wollen der deutschen Jugend entgegenzustellen wagen“ (Zitiert nach Karl Heinz Jahnke: Jugend unter der NS-Diktatur. 1933-1945. Eine Dokumentation, 2003, S. 58). Und auch der Konkordatsabschluss hinderte ihn nicht daran, bereits am 29. Juli 1933 in einem Erlass die Doppelmitgliedschaft in der Hitlerjugend bzw. Bund Deutscher Mädel und in konfessionellen Jugendverbänden zu verbieten (Bernhard Stasiewski: Akten deutscher Bischöfe über die Lage der Kirche 1933-1945, Bd. I: 1933-1934, Mainz 1968, S. 288).

Diese Rückendeckung von oben her ermutigte die Nationalsozialisten vor Ort noch mehr, bei großen Treffen kirchlicher Jugendverbände militant aufzutreten, nachdem es schon zuvor immer wieder zu Auseinandersetzungen kam. Beim Treffen der Katholischen Arbeiterjugend und Gesellenvereine im Rahmen des Ersten Deutschen Gesellentages vom 8. bis 11. Juni 1933 in München hatten gewaltbereite Nazis und SA-Truppen hunderte Teilnehmer verprügelt, weshalb die Veranstaltung vorzeitig abgebrochen worden ist (Georg Denzler/Volker Fabricius: Die Kirchen im Dritten Reich: Christen und Nazis Hand in Hand?, Frankfurt am Main 1984, S. 88).

Guardinis Entscheidung für die Burg

Angesichts dieser beängstigenden Entwicklungen rief Guardini am 4. Juli 1933 die Bundesleitung, also Josepha Fischer und Rolf Ammann, in Frankfurt zusammen, um die neue Lage zu beraten: „Für den Bund gab es nur die Möglichkeiten der Gleichschaltung oder Selbstauflösung. Bei der Gleichschaltung wären im Lande die Quickborngruppen und die Beitragszahler auf Grund der Namenslisten in die Propagandamaschinerie und die staatspolitische Überwachung geraten. Davor schützte die einzelnen nur die Selbstauflösung des Bundes. Sie wurde nach dem 4.7.1933 in die Wege geleitet, weil es höchste Zeit dazu war. Die erforderlichen Schritte haben allen unsagbar leid getan“ (Wilmes, a.a.O., IIB, S. 10 f.).

Im Rückblick dazu schrieb Josepha Fischer in einem Brief an Johannes Binkowski, sie habe, von ihrem Mann Lorenz Fischer gewarnt, geahnt, dass Guardini ausschließlich an der Burg und weniger am Bund interessiert und deshalb bereit sei, den Bund der Burg zu opfern (Brief vom 10. Juli 1980, zusammengefasst bei Binkowski, a.a.O., S. 132 f.). Tatsächlich schlug Guardini dies vor, allerdings anders als ihm Lorenz Fischer unterstellte, nicht mangels Interesse am Bund, sondern weil er den einzig sinnvollen Weg darin sah, über die Burg letztlich auch den Bund – wenn auch nicht als öffentliche Organisation, sondern im Untergrund - vor der drohenden „Gleichschaltung“ zu retten. Am Ende stimmten Josepha Fischer und Rolf Ammann damals mit Guardinis Beurteilung der Lage überein, auch darin, dass die äußere Auflösung allein die gewachsene innere Gemeinschaft nicht zerstören könne (Binkowski, a.a.O., S. 133).

Im Burgbrief vom Juli 1933 hieß es dazu, “dass die Älteren im Quickborn jeglichen formellen Bundescharakter ... ausdrücklich aufgeben. Wir haben uns deshalb als verantwortliche Leitung des Bundes entschlossen, die Organisation des Älterenbundes aufzulösen” und “auf jeden organisatorischen Zusammenhang im Sinne einer politischen Machtgruppe” zu verzichten (Burgbrief vom Juli 1933; siehe dazu Binkowski, a.a.O., S. 133).

Das Protokoll der am 27. August 1933 stattfindenden Generalversammlung der Vereinigung der Quickbornfreunde betonte, dass „die Auflösung selbst ... in Verbindung mit den kirchlichen Stellen, mit der Burg und mit der geschäftsführenden Bundesleitung erfolgt“ sei. Im Rückblick des Burgbriefes vom September/Oktober 1933 fasste Guardini seine Position mit gleichzeitiger Bitte um Vertrauen und Hilfe, auch finanzieller Art, zusammen: „Als die Bundesleitung nach langer und gewissenhafter Überlegung sich verpflichtet glaubte, den Älteren-Bund aufzulösen, war das keine Entscheidung über den inneren Sinn und die lebendigen Kräfte dieses Bundes. Was daraus wird, steht noch offen und es wird an der bestmöglichen Lösung der Frage gearbeitet. ... DAS WESEN BLEIBT, DER TRAGENDE WILLE LEBT. WIR RESIGNIEREN NICHT, WIR ARBEITEN WEITER. DAS NÄCHSTE JAHR SOLL ZEIGEN, DASS ROTHENFELS NACH WIE VOR EINE STÄTTE DER HEIMAT UND DER GEISTIGEN UND LEIBLICHEN ERNEUERUNG BLEIBEN WIRD” (Burgbrief, 1933, Nr. 1 (September/Oktober), S. 7).

Und in einer gemeinsamen Erklärung von Romano Guardini und Rolf Ammann zur neu gegründeten “Vereinigung der Freunde von Burg Rothenfels” hieß es abermals: “Die Entwicklung der allgemeinen Verhältnisse im Laufe dieses Jahres hat es für richtig erscheinen lassen, den Älterenbund im Quickborn aufzulösen. ... DER GEIST MUSS LEBENDIG BLEIBEN. ER WILL AN DER DEUTSCHEN NEUWERDUNG MITSCHAFFEN. GEIST ABER BRAUCHT EINE STÄTTE, BRAUCHT LEIB UND GESTALT. DAS IST DIE BURG.” Am Ende dieser Erklärung erscheint die Burg geradezu personalisiert: „Die Burg ist sich der Verantwortung bewusst, die sie übernimmt ... DIE BURG WIRD SICH MIT VERDOPPELTEM ERNST UM DEN ZUSAMMENHANG MIT ALL DENEN BEMÜHEN, DIE SIE DRAUSSEN IM LAND TRAGEN. ... Die Burg ist entschlossen, nach besten Kräften das Ihrige zu tun“ (ebd., S. 8).

Rolf Ammann betonte in seinem Kommentar im Burgbrief vom September/Oktober 1933 sogar noch ein weiteres Mal, dass der Älterenbund „infolge bestimmter Verhältnisse und Vorgänge, über welche“ er sich „heute nicht näher auslassen“ könne, aufgelöst wurde, „einer der Hauptgründe ... die Erhaltung der Burg Rothenfels“ gewesen sei (Ammann, Rolf: An alle Mitglieder des früheren Älterenbundes im Quickborn, in: Burgbrief, 1933, Nr. 1 (September/Oktober), S. 9). Da all diese Erklärungen scheinbar den Diskussionen kein Ende bereiteten, fühlte sich Ammann im Burgbrief vom Dezember 1933 zu einer weiteren Erklärung unter dem Titel „Zur Steuer der Wahrheit“ genötigt. Darin hieß es: „Die organisatorische Auflösung des Bundes erfolgte im Juli und??? den schwierigen Zeiten VOR dem Abschluss des Konkordates“ (Burgbrief, 1933, Nr. 3 (Dezember), S. 27).

Die Berechtigung dieser Entscheidung wurde im Rückblick von den Ereignissen auch durchaus bestätigt. Am 1. Juli 1933 wurde der dem Quickborn, wie gesehen, nahestehende Friedensbund Deutscher Katholiken verboten, dessen verantwortliche Mitglieder, wenn sie nicht ohnehin schon geflüchtet waren, nach und nach verhaftet bzw. ausgebürgert wurden. An der nationalsozialistischen Haltung gegenüber der kirchlichen und bündischen Jugend änderte der Abschluss des Konkordats am 20. Juli 1933 letztlich nur, dass die formelle Existenz der katholischen Jugendverbände noch bis 1939 Bestand hatte. Die konkrete Arbeit musste so oder so weitestgehend in den Untergrund gehen.

Die Gegenbewegung des „neuen Quickbornbundes“

Die für die Umgestaltung notwendige Generalversammlung des „Vereins der Quickbornfreunde e.V.“ musste allerdings, „zunächst aus taktischen Gründen“, mehrmals verschoben werden und konnte daher erst am 27. August 1933 stattfinden (Rolf Ammann: An alle Mitglieder des früheren Älterenbundes im Quickborn, in: Burgbrief, 1933, Nr. 1 (September/Oktober), S. 9). Dies ermöglichte es Gegnern der Auflösung, sie quasi unter neuer Führung „rückgängig“ zu machen. Die Gegner kamen dabei vor allem aus dem Osten, also aus dem schlesischen Quickborn.

Ín der Ausgabe des sogenannten „Schlesierblattes, zugleich Blatt des neuen Quickbornbundes“ vom Juli 1933 wurde zur Gründung des „neuen Quickbornbundes“ aufgerufen. Diese wurde dann auch auf dem sogenannten „Annaberger Treffen“ vollzogen. Initiatoren waren Kaplan Karl Rogier, Thea Trimborn und Walter Wilhelmi, die Bernhard Strehler noch einmal als Bundesführer gewinnen konnten und Kardinal Bertram auf ihrer Seite wähnten. Bernhard Strehler und die Initiatoren beabsichtigten damit, dass eine recht große Zahl von Quickbornern sich zu einem Einheitsverband zusammenzuschließen.

Ende März 1946 wurde die schlesische Quickbornerin Thea Trimborn, die jetzt in Köln lebte, in die Zonenleitung der britischen Besatzungszone gewählt. Sie war langjährige Mitarbeiterin von Prälat Oskar Golombek, der die Kölner Caritas-Flüchtlingshilfe leitete, und später selbst Caritas-Sekretärin (vgl. dazu Vosskamp, Sabine: Katholische Kirche und Vertriebene in Westdeutschland, 2007, S. 65). Walter Wilhelmi hatte als Quickborner die "Briefe junger Kameraden" herausgegeben (Briefe junger Kameraden 3, in: Das Blatt der Jungen im Quickborn, o.J. (ca. 1930)). Diese "Briefe junger Kameraden" wurden in Schlesien mit Unterstützung des Breslauer Theologenkonvikts konzipiert und vertrieben.

Die Diskussion hatte sich in den folgenden Monaten immer weiter verschärft, so dass Guardini sich noch im Burgbrief vom März/April 1934 dazu genötigt sah, die Darstellung von Kaplan Karl Rogiers im Schlesierblatt vom Juli 1933 richtigzustellen. Dieser hatte dort behauptet, Guardini sei mit der Neugründung von Quickborn einverstanden gewesen. Guardini hielt dagegen: “Die Regelung der Bundesfragen auf dem Annaberger Treffen vom Sommer 1933 und auch späterhin ist ohne jede Fühlungnahme mit mir vorgenommen worden. Die erste und einzige an mich gelangte Äußerung bildet der genannte Brief, welcher das Datum vom 30.9.1933 trägt, mich also vor vollendete Tatsachen stellt. ... So muss ich für meinen Teil jede Verantwortung für ihn und also auch jede Beziehung zu ihm ablehnen” (???, S. 46). Er verteidigte nochmals die Herauslösung der Burg aus allen Bundeszusammenhängen, damit sie ihrer wesentlichen Bestimmung gerecht werden könne, nämlich eine Stätte zu sein, “wo jeder, der lebendig zu ihr gehört, mag er im übrigen stehen wo immer, ein Heim finden kann, sowie Anregung und Hilfe, sich seines Glaubens tiefer zu vergewissern und sein Dasein aus diesem Glauben heraus zu gestalten” (ebd., S. 47).

Im Hintergrund dieser Erklärung steht wohl, dass sich der neue Quickbornbund auf einem Führertreffen am 18. März 1934 in Berlin neu organisiert hatte. Die Führung hatte bis zu diesem Zeitpunkt hauptsächlich Lorenz Fischer und der Berliner Kreis ausgeübt. Vertreter der Älteren wurde nunmehr Kaplan Karl Rogier, Vertreterin der Mädchen Ida Coudenhove, Vertreter der Jüngeren Walter Wilhelmi. Zu geschäftsführenden Bundesleitern wurde P. Gregor Lang OSB als geistlicher Führer und Dr. Lorenz Fischer als Laienführer bestimmt, der sich später “Bundeskanzler” nannte.

Gregor Lang OSB (1884-1962) hatte sich ebenfalls bereits 1927 von der Burg Rothenfels zurückgezogen, nachdem Strehler von Guardini als Bundesleiter abgelöst wurde. Er war 1896 ins Gymnasium bei St. Stephan aufgenommen worden und trat dort nach dem Abitur 1904 ins Kloster ein. Nach dem Studium der Philosophie und Theologie in St. Stephan selbst und schließlich in München, wurde er 1908 zum Priester geweiht. Nach der Ausbildung für das Lehramt in Deutsch, Latein, Griechisch und Geschichte wurde er zunächst Lehrer, ab 1924 Rektor der Philosophischen Hochschule und Oberstudiendirektor am Gymasium. Insgesamt leitete Lang 32 Jahre lang das Gymnasium der Abtei Stephan in Augsburg (1924-1938/39 und 1945-1962). Er war leidenschaftlicher Theaterspieler und Musiker. Er erfreute sich größten Ansehens als Prediger, Jugend- und Erwachsenenbildner und Dozent. Nach dem Krieg wurden weder Guardini noch Lang zum Geistlichen Leiter des Quickborn gewählt, sondern Manfred Hörhammer. 1947 initiierte er den Schwäbischen Volksbildungsverband (vgl. auch Martin Kuhn: Dem geistlichen Vater, Führer und Freund, Pater Gregor zum 80. Geburtstag, 1964; Egino Weidenhiller: Dr. P. Gregor Lang zum 100. Geburtstag, in: Stephania 56 (1984), 12-23; L. Stainer: Pater Gregor und der Quickborn, in: Stephania 56 (1984), 23-31). Zu seiner Augsburger Quickborngruppe gehörten der Lindauer Johannes Dischinger, der dann 1930 als Student die Sturmschar der Diözese Augsburg gründete und von 1936 bis 1939 einer der vier Reichskapläne der Sturmschar war (vgl. Gerhard Heiß: Zum Gedenken an Prälat Johannes Dischinger, in: Der Welf, 6, 2001, S. 237; Nachruf [auf Prälat Johannes Dischinger], in: Katholische Sonntagszeitung für das Bistum Augsburg 55 (6./7. Januar 2000), S. 28; vgl. von ihm: Johannes Dischinger: Liturgische Bewegung und liturgische Erneuerung in Deutschland bis zur Liturgiereform, in: 50 Jahre Kloster und Schule von Maria Stern in Augsburg-Göggingen. Augsburg 1983). Ebenfalls ging aus Langs Gruppe ging nach dem Zweiten Weltkrieg die Redaktion der linkskatholischen, vierzehntägig in Augsburg erscheinenden Zeitung "Ende und Anfang" unter Chefredakteur Franz Josef Bautz (1925-2011) hervor. Weitere Redakteure waren Theo Pirker (1922-1995), Siegfried Braun (* 1922), Burkard Lutz (1925-2013) und Heinrich Lutz (1922-1986). Weitere Hauptautoren waren Ernst Schumacher (1921-2012), Fritz Wagner (* 1923), Hermann Lamprecht (* 1922) und Ludwig Zimmerer (1924-1987). Pirker, Burkart Lutz, Braun und Fro Hammelrath arbeiteten zu dieser Zeit auch am wirtschaftswissenschaftlichen Institut des DGB (WWI, später wirtschafts- und sozialwissenschaftliches Institut = WSI) zusammen.

Im April 1934 erschien dann unter Leitung des neuen Quickborn wieder die Zeitschrift “Quickborn” im 17. Jahrgang, für die Seraphie Schaneng und Erich Reisch verantwortlich zeichneten. Im August sollten Gautage in Grüssau und Meitingen abgehalten werden.

Laut Görner schrieb der im Juni 1934 häufig kranke Guardini am 9. Juni einen Brief an Ida Couvenhove, der „von Burg Rothenfels und seiner Stellung in dem Ganzen“ handelte (Görner, S. 20): „Das, was er zu seiner Verteidigung sagte, stimmte ganz genau mit dem Eindruck überein, den ich aus den Rothenfelser Akten, die ich geordnet habe, gewonnen habe. Ich sagte ihm dies auch, und das war ihm sehr wertvoll, da ich ja vollkommen unbeteiligt bin. Darauf erzählte er mir einiges zur Ergänzung des Briefes. Er hatte die Führung übernehmen müssen, da niemand anderes da war. Die Burg begann zu veröden. Und es ging mit Strehler nicht mehr zusammen.”

Namentlich Wilhelmi warf Guardini im „Führerbrief der Quickborn-Jungen“ vom 29. August 1934 erneut, wenn auch ohne Namensnennung, vor, er sei im Jahr zuvor “ohne weiteres in die Katakomben” gegangen (Führerbrief der Quickbornjungen, Nr. 1 vom 29. August 1934), während ihre Gruppe bereit sei, „den um Deutschland verantwortungsvollen Katholiken zu entwickeln... Wir gehen nicht ohne weiteres in die Katakomben. Wir bauen das christliche Deutschland. Wir müssen aber wissen, wir, die Führer, dass wir kein Kinderspiel mehr treiben, kein bloßes Ausleben im Jugendreich.“ Dazu sollte versucht werden die Jungborner und andere abstinente katholische Jugendliche zum Quickborn zu holen (ebd.).

Welche Kompromisse in der Zwischenzeit auch beim „neuen“ Quickborn geschlossen werden mussten, zeigt ein Aufsatz von L. und J. Funk aus dem Jahr 1935. In ihren “Gedanken aus einem Arbeitskreis” schreiben sie, “die positiven Elemente im Nationalsozialismus” seien ehrlich anzuerkennen. Es sei unerheblich, “dass die Motive des Gesetzgebers und Staatenlenkers andere sind als die des Christen.” Man trage Verantwortung, “dass nicht durch unlautere Kampfesweisen künstliche Mauern zwischen Nationalsozialismus und Christentum aufgerichtet werden.” Es sei an der Zeit, “dazu beizutragen, dass die christlichen Grundkräfte und Elemente im Nationalsozialismus zum Siegen kommen” (L. u. J. Funk: Gedanken aus einem Arbeitskreis, in: Quickborn, 18, 1935/36, S. 6 f.).

Und in Erich Reischs Artikel „Vom Gehorchen“ hieß es: „Unser Volk hat heute wieder gelernt, dass es ohne Gehorchen nicht geht. Führerschaft verliert seinen Sinn, wenn auf der anderen Seite die Bereitwilligkeit zum Gehorsam fehlt. Nicht ohne Grund sollen wir wieder ein Volk von Soldaten werden“ (E[rich] R[eisch]: Vom Gehorchen, in: Quickborn, 18, 1935, S. 27).

1936 wurde auf dem Führertreffen in Berlin Wilhelmi wiedergewählt. Dagegen folgten Christel Degenhardt für die nördlichen Gaue und Trudl Rettenmayer für den Süden und Schlesien auf die bis dahin gesamtdeutsche Vertreterin Ida Coudenhove. Kaplan Joseph Heinrich Sandmann wurde Redakteur des Führerschulungsblattes der Quickborn-Jungen „Blitz“. Kaplan Sandmann wurde während des Dritten Reiches insgesamt achtzehnmal zur Gestapo bestellt und oft stundenlang vernommen (Binkowski, a.a.O., S. 146).

1937 folgte Heinrich Bachmann auf Lorenz Fischer, der aus gesundheitlichen Gründen das Kanzleramt aufgeben musste. Bachmann hatte bereits seit 1936 regelmäßig im „Quickborn“ geschrieben. In seinem Grundsatzartikel „Vom Amt“ zum Amtsantritt hatte er alle daran erinnert, dass der Bund die Schule der Bewährung sei.

Bachmann war am 16. Januar 1936 wegen „öffentlicher übler Nachrede in Tateinheit mit öffentlicher Beleidigung“ zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Das Urteil viel relativ milde aus, weil Bachmann in der öffentlichen Verhandlung die Unehrenhaftigkeit von Erich Gottschling nachweisen konnte, den Bachmann durch Scheeben in Köln öffentlich hatte angreifen lassen. 1937 hat Bachmann aus freien Stücken die Kulturchristleitung bei der Germania niedergelegt und Berlin verlassen. Er übernahm stattdessen die Schriftleitung der Zeitschrift „Kirche im Volk“ und der Kirchenblattkorrespondenz „Kirche und Leben“ und zog nach Düsseldorf. Beide kamen bei der Zentralstelle der katholischen Aktion in Düsseldorf heraus. Als im Frühjahr 1938 jedoch die Zentralstelle zwangsgeschlossen wurde, bedeutete dies auch das Ende des Verlags und der beiden Organe. Die beiden Leiter wurden ins Gefängnis gesetzt, alle anderen darunter Bachmann entschädigungslos gekündigt.

Im Quickborn schrieben zu dieser Zeit außerdem regelmäßig: Josepha Fischer, Ida Coudenhove, jetzt verheiratete Görres, Helmuth Richter, Josef Heinrich Sandmann, Erich Reisch und Heinrich Fleckenstein (Binkowski, a.a.O., S. 142).

Ida Friederike Coudenhove war seit 1935 mit dem Berliner Ingenieur Carl-Josef Görres (1905-1973) in Leipzig verheiratet, der später Unternehmensberater und Verleger in Stuttgart-Degerloch. Ihr Schwager war der ebenfalls mit Guardini sympathisierende Psychologe, Psychoanalytiker, Psychotherapeut und Professor Albert Görres. Als im Frühjahr 1936 die Schwiegereltern sterben und Carl-Josef zum Vormund seines Bruders bestellt wird, wird er im Grunde ihr „Ersatzsohn“ (vgl. Andreas R. Batlogg: Literaturbericht: Vertrauen zur (konkreten) Kirche. Zum 30. Todestag von Ida Friederike Görres (1901–1971), in: Geist und Leben, 74, 2001, 3, S. 227-232, hier S. 229).

Auch weiterhin galt es in der Zeitschrift „Quickborn“ Kompromisse einzugehen. Heinrich Bachmann begrüßte in seinem Artikel über den Anschluss Österreichs unter dem Titel „Das ganze Deutschland soll es sein!“ die „Wiedervereinigung Oesterreichs mit dem deutschen Mutterland“ als „Notwendigkeit dieses einen Reiches“ emotional überschwänglich „glücklich und stolz“ (H. Bachmann: Das ganze Deutschland soll es sein!, in: Quickborn 20, 1937/38, S. 22 f.). Der Artikel wird umrahmt von der „Feierlichen Erklärung“ des österreichischen Episkopates nebst Vorwort und Begleitbrief des Erzbischofs von Wien an den Gauleiter.

Am 1. September 1938 übernahm Bachmann im Jugendhaus Düsseldorf die Hauptschriftleitung der „Wacht“, illustrierte Monatszeitschrift katholischer deutscher Jugend. Bereits Ende 1938 wurde jedoch auch das Jugendhaus geschlossen und die Mitarbeiter ohne jede Entschädigung auf die Straße gesetzt.

1938/39 wird – wie auch in den Schildgenossen – selbstverständlich der Aufruf zur Sammlung des Winterhilfswerkes abgedruckt. Auf der gleichen Seite wurde in der Zeitschrift allerdings auch eine Meldung der “Germania” von der Ausnüchterung zweier Alkoholiker in einem Konzentrationslager nachgedruckt, da die Einweisung aus erzieherischen Gründung unumgänglich gewesen sei (Quickborn 21, 1938/39, S. 24).

1939 wird pflichtgemäß dem 50. Geburtstag Hitlers dankbar gedacht (Quickborn 22, 1939/40, S. 24).

Das Jahr 1939 stand dann aber von Anfang an im Zeichen des drohenden Verbotes. Schon seit 1935 stand sowohl der Quickborn als auch die Vereinigung der Freunde der Burg Rothenfels unter Beobachtung des Reichssicherheitshauptamtes. Die Akte, mit Laufzeit von 1935 bis 1937, die aber auch spätere Dokumente enthält, trug den Titel „Beobachtung und Auflösung katholischer Jugendorganisationen“ (BArch, R 58/5526 S, vormals Slg. NS-Archiv des MfS/ZB I 0809, Aktenzeichen: II 1131-42). Darin enthalten ist der Bericht des SD-Hauptamts „Quickborn und Vereinigung der Freunde der Burg Rothenfels“ vom Juni 1939; die Satzung und Mitgliederliste der Vereinigung der Freunde der Burg Rothenfels; Ermittlungen gegen Mitglieder der Vereinigung der Freunde der Burg Rothenfels im Bereich des SD-Oberabschnitts Ost, u.a. gegen Viktor Beutlich, Katharina Lücker, Margarete Schauerte, Lic.habil. Konrad Weiss, Georg Jurytko, Johanna Berger, Georg Wassmann und Dr. med. Meta Jun; Ermittlungsverfahren gegen die Mitglieder des Quickborn im Bereich des SD-Oberabschnitts Südost wegen Betätigung für die Bündische Jugend, u.a. gegen Walter Wilhelmi, Artur Frucht, Fritz Schlüter, Max Gade, Willi Machura, Franz Reimelt, Josef Wollny und Wilhelm Jendrysik (vgl. https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/ANYYJNIMB7BDELYO2E7VACVUZGOO2BNR).

Georg Jurytko (1902-1971) stand 1934 brieflich mit Carl Muth in Verbindung (http://kalliope-verbund.info/DE-611-HS-809689) und soll mit Guardini persönlich befreundet gewesen sein. Er war von 1937 bis 1963 katholischer Geistlicher in Gatow, ab 1941 als Kurat. Nebenamtlich war er wohl 1943/44 Seelsorger im Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Spandau, wo er unter anderem das Opfer der NS-Miltitärjustiz, Klaus Erwin Scholl (1920-1944), als Standortpfarrer seelsorgerlich in den Tod begleitete (vgl. dazu Friedrich Giesler/Ingeborg Giesler: Spurensuche Klaus Erwin Scholl. Ein Opfer der NS-Militärjustiz, 2015, S. 179 f.). Jurytko hatte Schwarz zunächst 1947 gebeten, eine Scheune zur Notkirche umzubauen, dann ließ er ihn 1959 St. Raphael in Berlin-Gatow planen und errichten. In einem Brief an Rudolf Schwarz von 1959 wünschte er sich „einen Gedenkraum für die Toten, auch für die, die ich in den Jahren 1943-45 aufs Schafott begleitet habe und die in der Nähe zum Teil beerdigt liegen. Es sind über 500 an der Zahl, manche von ihnen spüre ich noch zuweilen um mich, ich habe ihnen ein Gedenken versprochen.“ Das Altarfenster von St. Raphael gestaltete Georg Meistermann. Die Kirche wurde 2005 abgerissen, das Meistermann-Fenster wurde in St. Michael – Zentrum für Trauerseelsorge in Frankfurt überführt (vgl. http://www.meistermann-gesellschaft.de/Einweihung_GM-Fenster_-_Frankfurt__Zentraum_f_Trauerseelsorge_-_Einladung_-_21.10.12.pdf). Jurytko setzte sich als Pfarrer gemeinsam mit dem Architekten Rudolf Schwarz für die hingerichteten Opfer des Naziterrors in Gatow ein.

Max Gade (1911-1984) war Priester der Erzdiözese Breslau. Nach der Priesterweihe am 30. Juli 1939, bis 1941 Kaplan in Birkenau. Nach seinem Wehrdienst im Zweiten Weltkrieg war er von 1945 bis 1948 Lagerseelsorger in Italien und England, 1948 bis 1951 Auslandsseelsorger in England. 1951 rief ihn der Breslauer Kapitelsvikar Piontek nach Deutschland zurück. Er wurde Präfekt des in der Stadt Oldenburg eingerichteten Schülerheims für Ostvertriebene. 1953 bis 1955 war er Mitarbeiter beim Generalvorstand des Bonifatiusvereins in Paderborn und wirkte nebenher als Religionslehrer an einem Gymnasium. Schließlich ging er von 1956 nach New York und war bis 1963 Kaplan des dortigen Leo-Hauses. Es handelte sich dabei um eine deutsch-amerikanische Gründung zum Schutze deutscher Auswanderer. Am 12. September 1963 wurde er Pfarrverweser in St. Leon, am 1. Februar 1969 erhielt er den Titel „Pfarrer“, am 26. Juni 1980 wurde er inkardiniert in die Erzdiözese Freiburg (vgl. Nachruf, in: Freiburger Diözesan-Archiv, Bd. 105/106, 1985, S. 353).

Zunächst war der Vertreter der Jungen Walter Wilhelmi 1938/39 verhaftet worden, seine Stelle nahm Fritz Schlüter wahr.

Der Krefelder Fritz Schlüter wurde am 9. August 1947 schließlich zum Bundesleiter gewählt.

Dann kam es „in den ersten Januartagen 1939“ in der Erfurter Wohnung von Wilhelm Mogge zu „einer Zusammenkunft von etwa acht“ Quickbornern. Damals hätten unter anderem er, Lorenz Fischer und Heinrich Bachmann „etwas – wenn man so will – sehr Unjugendbewegtes“ beschlossen. Dies sei ihnen „von einigen Leuten dann auch prompt als Todsünde wider den Geist des Quickborn angelastet“ worden: „eine schriftliche Verpflichtung nämlich auf die knochentrockene Satzung eines Vereins namens Quickborn im Reichsausschuss Deutscher Katholiken gegen den Alkoholmissbrauch, der seinerseits wiederum der Reichsarbeitsgemeinschaft für Rauschgiftbekämpfung im Reichsausschuss für Volksgesundheitsdienst unterstellt war. Zu seinem Protektor wurde der Erzbischof von Breslau, Kardinal Bertram, befördert, wobei es keineswegs sicher ist, dass er das jemals erfahren hat; die Bundesleitung übernahm Dr. Bernhard Strehler“ (Wilhelm Mogge: Neue Versuche ohne Glanz. Quickborn während des Dritten Reiches und nach dem Kriege, in: Burgbrief 1/70, S. 13 f.). Ihm zur Seite standen Heinrich Bachmann, Lorenz Fischer, Seraphie Schaneng. Immerhin habe man noch zwischen 800 bis 1000 Quickborner zu dieser Beitrittserklärung bewegen können, darunter unter anderem Rudolf Mandrella, Alfons Maria Wachsmann und Max Josef Metzger.

Bachmann wurde 1939 sogar in die Führung und bald darauf in den Bundesvorstand des Kreuzbundes berufen, allerdings schon ein Jahr danach wieder abberufen, um die Vereinigung nicht zu gefährden, nachdem ihm am 22. Januar 1940 in einem Schreiben der Hoheneckzentrale seine „grundsätzliche Ablehnung des Nazismus“ vorgehalten wurde. Trotz dieser Bemühungen war der Quickborn-Nachfolge-Verein Ende August 1939, kurz nach der Feier des 30jährigen Jubiläums, die getarnt als Exerzitien bei den Franziskanerinnen in Vierzehnheiligen stattfand, offiziell verboten. So fand der getrennte Weg zwischen Burgfreunden und Quickbornern 1939 im Verbot ein gemeinsames Ende, ein Weg der auf beiden Seiten von schwierigen Kompromissen gekennzeichnet war.

Die Generalversammlung der Vereinigung der Quickbornfreunde e.V.

Am 27. August 1933 hatte dagegen auf der Burg, wie Elisabeth Merz es in ihrer Chronik ausdrückt, eine “Beratung über Satzungsänderungen zwecks Gleichschaltung” statt gefunden. Faktisch handelte es sich dabei, wie der Burgbrief vom September/Oktober 1933 es dann auch nennt, um die “Generalversammlung der Vereinigung der Quickbornfreunde e.E.” mit dem Ziel, den Älterenbund und damit den „Verein der Quickbornfreunde e.V.“ formell aufzulösen und an seine Stelle die neutral benannte “Vereinigung der Freunde von Burg Rothenfels” zu setzen. Die vorbereitete Satzung gab als Zweck der Vereinigung „die Erhaltung und der Ausbau der Burg Rothenfels/Main und die Förderung ihrer religiös-geistigen Aufgaben“ an (Burgbrief, 1933, Nr. 1 (September/Oktober), S. 8).

Ammann wies in einer Anmerkung zu seinem Kommentar zu dieser Generalversammlung vieldeutig-eindeutig darauf hin: “Es ist eine geschichtliche Tatsache, dass alle Zeiten, in welchen zwischen Kirche und Staat Friede herrschte und in welcher der Staat ein Freund der Kirche war, eine Verflachung des religiösen Lebens einsetzte. Diese Verflachung ist auch jetzt zu erwarten, wenn der Friedenszustand zwischen Kirche und Staat sich befestigt. Es kann und muss als eine Aufgabe der Burg Rothenfels angesehen werden, dieser Gefahr entgegenzuarbeiten ...; denn die Erfüllung desselben ist als wahrhafter Dienst an unserem Volke, an unserer Gemeinschaft und an unserem Staate anzusehen” (Burgbrief, 1933, Nr. 1 (September/Oktober) S. 10, FN 1).

Auf der Tagung hatte Ammann – laut Schmidthüs - ergänzend über die zukünftige Aufgabe der Burg gesagt: “Es solle dem jungen deutschen Katholizismus eine Stätte geboten werden, wo seine Aufgaben in Kirche, Volk und Staat Vertiefung und Klärung erfahren können. Einen andern Sinn kann die Burg jetzt nicht mehr haben. Zwang und innere Notwendigkeit treffen sich” (Schmidthüs, Randbemerkungen zur E.V.-Tagung, in: Burgbrief, 1933, Nr. 1 (September/Oktober), S. 13).

Bernhard Strehler war zu dieser Tagung nochmals extra nach Rothenfels gekommen, um mit Guardini zu beraten (Wilmes, a.a.O., IIB, S. 11).

Von Schmidthüs wurde in seinen “Randbemerkungen zur E.V.-Tagung” angedeutet, dass es bereits im Älterenbund verschiedene “Richtungen” gegeben habe und im Rahmen der Umwandlung Bernhard Strehler zusätzlich eine von allen Richtungen abweichende Position einnahm (Schmidthüs, a.a.O., S. 13). Strehler stellte den Antrag den Verein anstatt „Vereinigung der Freunde von Burg Rothenfels“ in „Vereinigung Deutsches Quickbornhaus Burg Rothenfels“ umzubenennen, was mit 33 gegen 32 Stimmen bei einer Enthaltung denkbar knapp abgelehnt wurde. Wohl um eine Pattsituation und eine Spaltung zu vermeiden, hatte daraufhin Hans Ruffin den Antrag gestellt, eine endgültige Entscheidung über diesen Punkt bis nach der Vorstandswahl zu verschieben. Dieser Antrag wurde angenommen (Protokoll über die Generalversammlung der Vereinigung der Quickbornfreunde e.E. am Sonntag, den 27. August 1933, in: Burgbrief, 1933, Nr. 1 (September/Oktober), S. 11). Die Befürchtungen Guardinis zeigten sich in der Diskussion um den Paragraphen 3 der Satzungen, in dem es hieß: „Mitglied der Vereinigung kann jeder volljährige deutsche Katholik werden, der sich zur einfachen Lebenshaltung im Sinne Quickborns verpflichtet“. Dies wurde bei 3 Stimmenthaltungen und 6 Gegenstimmen angenommen. Daraufhin stellte Guardini den Antrag, den Vorstand zu ermächtigen, den Namen „Quickborn“ durch „katholische Jugendbewegung“ zu ersetzen, wenn sich bei der Eintragung in das Vereinsregister Schwierigkeiten ergeben sollten (ebd., S. 11). Dafür erhielt er denn auch eine Mehrheit. Auch die Begründung im Protokoll für die Notwendigkeit einer Neuwahl des Vorstandes zeigt den nationalsozialistischen Druck. Dort hieß es: „Dieselbe erfolgte, um etwaigen nationalsozialistischen Mitgliedern auf Wunsch die Möglichkeit zu geben, in den Vorstand einzutreten“ (ebd., S. 12).

Es wurde einstimmig beschlossen den bisher dreiköpfigen Vorstand um ein viertes Mitglied ohne amtliche Funktion als „Vertreter des Ostens“, gemeint war Schlesien, zu erweitern, wobei das Vorschlagsrecht beim Osten liege. Bis zu einem Vorschlag sollte der vom Amt des Kassierers zurückgetretene Franz Mahner diese Position einnehmen.

In den Vorstand des Vereins wurden schließlich gewählt Rolf Ammann als 1. Vorsitzender, Josefa Fischer als 2. Vorsitzende in der Funktion der Schriftführerin, Werner Becker als 3. Vorsitzender in der Funktion des Kassierers. Die nachfolgende erneute Abstimmung der Namensfrage brachte wiederum eine knappe Entscheidung für den Vorschlag Guardinis mit 31 zu 30 Stimmen (ebd., S. 12).

Schmidthüs sah sich aufgrund der Diskussionen dazu veranlasst, eigens zu betonen, dass es unmöglich sei „dass Romano Guardini oder sonst jemand weiter arbeiten kann, wenn die unerlässliche Kritik ohne jeden Instinkt für Wert und Leistung bleibt und zur Sturheit und Gehässigkeit sich entwickelt“: „Es ist anderseits unmöglich, dass die Burg in ihre neue Bestimmung hineinwächst, wenn in ihrem geistigen Raum nur Romano Guardini und die ihm gleichgerichteten Kreise Platz finden” (ebd., S. 14).

Am 7. Dezember 1933 erfolgte schließlich die notarielle Umbenennung von “Vereinigung der Quickbornfreunde” in “Vereinigung der Freunde von Burg Rothenfels”.

Die Entwicklung in Deutschland ab Herbst 1933

1933

Am 20. August 1933 berichtete Wolker den Bischöfen, dass infolgedessen der Mitgliederrückgang „in der DJK erheblich“ wäre (Bericht Wolkers 20. August 1933, Roth: Dokumente, Nr. 41, S. 95-98, S. 95) und die Arbeit der katholischen Gruppen vor Ort erschwert würden. Bei Streitigkeiten zwischen Hitler-Jugend und katholischen Jugendvereinen werde „im Interesse von Ruhe und Ordnung ... nicht die HJ gemaßregelt, sondern den katholischen Vereinen verboten, öffentlich aufzutreten; der DJK verboten zu spielen; der Sturmschar zu wandern; den Trommlerkorps zu spielen“ (Bericht Wolkers 20. August 1933, Roth: Dokumente, Nr. 41, S. 95-98, S. 97.) Außerdem berichtete Wolker, dass bei den Arbeitsämtern die Mitgliedschaft in der DAF verlangt werde, wodurch die Jugendlichen „bei uns herausgedrängt“ werden (Stasiewski, Lage der Kirche I, Nr. 66a, S. 287).

Nicht zuletzt diese Marginalisierungstendenzen führen am 1. September 1933 zu einer ambivalenten Äußerung der katholischen Jugendverbände zum Reichskonkordat. Sie seien erfreut „über den Abschluss des Konkordates, in dem der Kirche die Freiheit zur Erfüllung ihrer Mission gegeben ist, und in dem der Staat sich zum Garanten dieser religiösen Freiheit erklärt.“ Daher wolle man umgekehrt auch „Glied sein im Volk, lebendig und wirksam für das Ganze. Wir waren und sind darum bereit zu einer Einordnung ins Ganze deutscher Jugend.“ Die Verhältnisbestimmung zum neuen deutschen Staat lautete: „Kein Staat verwirklicht in sich das Ideal des Gottesstaates, wie auch kein Mensch das Ideal des Gotteskindes ganz in sich verwirklicht. Dies Ideal war nicht der deutsche Staat der Vorkriegszeit, erst recht nicht der der Nachkriegszeit; das ist nicht der faschistische Staat Italiens und das ist auch nicht der nationalsozialistische Staat des heutigen Deutschlands. Aber das kann und muß gesagt werde: Der neue deutsche Staat trägt etwas von der Idee des Gottesstaates in sich, in der Anerkennung des Christentums als Fundament des Staates.“ Die abschließende Order an die katholische Jugend bestand in: „Folgt den Befehlen“ und „Tut eure Pflicht“ (Karl Heinz Jahnke: Jugend unter der NS-Diktatur. 1933-1945. Eine Dokumentation, 2003, S. 64).

Trotz immenser Anpassungen blieb man so unabhängiger, als es dem Evangelischen Jugendwerk möglich sein sollte. Nachdem die nationalsozialistische Propaganda immer stärker die Unterordnung christlicher Jugendverbände unter die Hitlerjugend forderte, hatte im November 1933 der Reichsführer im Evangelischen Jugendwerk Deutschlands, Erich Stange, dazu aufgerufen, den Nationalsozialismus aktiv zu unterstützen. Er hatte schon Ende März 1933 die Auffassung vertreten: „Die gottgesetzten Grundlagen von Heimat, Volk und Staat werden wieder neu erkannt. Das Volk steht auf. Eine Bewegung bricht sich Bahn, die eine Überbrückung der Klassen, Stände und Stammesgegensätze verheißt…Darum kann die Haltung der jungen evangelischen Front in diesen Tagen keine andere sein als die einer leidenschaftlichen Teilnahme an dem Schicksal unseres Volkes und zugleich eine radikale Entschlossenheit, wie sie das Wort Gottes fordert“ (zitiert nach Brandenburg, Hans-Christian, Geschichte der Hitlerjugend, Köln 1968, S.139 f.). Die Jugendführer hatten an diesem 17. November 1933 im guten Glauben an eine bloße „Schirmherrschaft“ faktisch die persönliche Befehlsgewalt über das Jugendwerk an Reichsbischof Ludwig Müller übertragen. Aufgrund eines „Abkommens über die Eingliederung der evangelischen Jugend in die Hitler-Jugend“ (abgedruckt in: Brandenburg, ebd., S. 158) zwischen Reichsjugendführer Baldur von Schirach und Reichsbischof Ludwig Müller, datiert mit dem 19. Dezember 1933 (datiert, tatsächlich ausgehandelt am 20. November 1933, siehe Karl Heinz Jahnke: Jugend unter der NS-Diktatur, 1933-1945: eine Dokumentation, 2003, S. 69), wurden alle Jugendlichen des Evangelischen Jugendwerks unter 18 Jahren in die Hitlerjugend eingegliedert, das dafür im Gegenzug als Werk das Recht behielt, an zwei Nachmittagen in der Woche und an zwei Sonntagen im Monat sich in voller Freiheit „in erzieherischer und kirchlicher Hinsicht“ zu betätigen (Hans Meiser: Verantwortung für die Kirche: Sommer 1933 bis Sommer 1935, 1985, S. 174). Dieser Vertrag wurde von den Jugendführern zwar abgelehnt und sie wollten dem Reichsbischof am selben 19. Dezember die Befehlsgewalt wieder entziehen, konnten sich aber nicht mehr durchsetzen und wurden stattdessen am 23. Dezember 1933 vom Reichsbischof abgesetzt (Manfred Priepke: Die evangelische Jugend im Dritten Reich 1933-1936, Hannover/Frankfurt am Main 1960, S. 73ff; Klaus Scholder: Die Kirchen und das Dritte Reich, Bd. 1, Frankfurt am Main/Berlin/Wien 1977, S. 731ff; Johannes Jürgensen: Vom Jünglingsverein zur Aktionsgruppe. Zur Geschichte der evangelischen Jugendarbeit, Gütersloh 1980, S. 179ff. Jugendverbände und Nationalsozialismus, a.a.O., S. 15-26).

1934

Am 2. Januar 1934 waren alle Studentischen Verbindungen dem Reichsführer des Deutschen Studentenwerkes unterstellt worden.

Am 7. Februar 1934 gab die Reichsjugendführung eine amtliche Vorschrift zur Bekleidung und Ausrüstung der Hitler-Jugend aus, die auch für die eingegliederte Jugend gelten sollte. Am gleichen Tage wurde durch die „Verfassung der Deutschen Studentenschaft“ die Reichsstudentenschaft gleichgeschaltet. Hinzu kamen weitere Benachteiligungen der katholischen Jugendverbände. So wurden sie am 23. Februar 1934 von den Fahrpreisermäßigungen der Reichsbahn ausgeschlossen (Roth, Dokumente, S. 20).

Regional wurde bereits im Frühjahr das öffentliche Auftreten der katholischen Jugendverbände verboten, so am 19. März 1934 im Regierungsbezirk Köln aufgrund des sogenannten „Cassott-Rundschreibens“ vom 10. Januar 1934 an die katholischen Pfadfinder (Der Landesfeldmeister der katholischen Pfadfinder in Köln, Walter Cassott, schrieb mit Datum vom 10. Januar 1934: „Alles, was der Jahresplan bringt, wird durchgeführt, gleich wie! Mit oder ohne Tracht. Erlaubt oder verboten. Wenn unsere Lager zu Exerzitienlagern werden oder zu den notwendigen religiösen Tagungen, so steht eines fest, wir kommen zusammen. SO ODER SO. Wir werden eine ewige Gemeinschaft bleiben, die man weder trennen noch verbieten kann“ (Schellenberger: Katholische Jugend, S. 120) sowie aufgrund der Zusammenstöße zwischen katholischen Pfadfindern und Hitler-Jugend im März 1934 (Schellenberger, Katholische Jugend, S. 121, Anm. 245). Am 1. April 1934 wurde in Köln das öffentliche Auftreten katholischer Verbände abermals eingeschränkt. Während des Aprils folgten noch die Regierungsbezirke Kassel, Wiesbaden und München (Roth, Dokumente, S. 22-25).).

In Deutschland verurteilte der Bischof von Münster Graf von Galen in seiner Osterbotschaft „gegen Unglaube und Neuheidentum“ den nationalsozialistischen Rassenkult: „Mit Befremden muß man auch feststellen, dass eine Reihe von Gedanken und Vorstellungen, die von der bolschewistischen Gottlosenbewegung in den Menschen geweckt wurde, jetzt unter nationalen Vorzeichen wieder auftauchen» (Friedrich Zipfel: Kirchenkampf in Deutschland 1933-1945, 1965, S. 293 f.).

Geradezu postwendend wurde noch im April 1934 das Verbot der Doppelmitgliedschaft in Hitlerjugend und Bund deutscher Mädel einerseits und nichtstaatlichen Jugendverbänden andererseits, das erstmals am 29. Juli 1933 von Baldur von Schirach erlassen worden war, erneuert.

Hinzukam am 27. April desselben Jahres, dass durch den Führer der Deutschen Arbeitsfront, Robert Ley, die „nicht der Hitlerjugend (Bund deutscher Mädel) angehörige Jugend ... nicht mehr in die Deutsche Arbeitsfront aufgenommen werden“ (Roth, Dokumente, Nr. 46, S. 104).

Viele Gauleiter nahmen diese Verbote zum Anlass, eine Offensive gegen die konfessionellen Jugendverbände zu starten. Dabei kam es nur selten zu Richtigstellungen wie beim Vorfall im fränkischen Kothen. Dort hatte der Nuntius eine Presseerklärung des Gauleiters im Bereich der Kreisleitung Brückenau erwirkt, der am 27. April Auflösung der katholischen Jugendverbände verkündet hatte. In der Richtigstellung vom 4. Mai 1934 hieß es dann: „Die katholischen Jugendverbände nicht aufgelöst. Die Gaupressestelle teilt mit: Das in den verschiedenen Teilen des Reichsgebietes erlassene Verbot einheitlicher Kleidung, auf das Tragen von Abzeichen und auf das geschlossene Auftreten des Verbandes in der Öffentlichkeit. Eine Auflösung dieser Verbände und weitere Maßnahmen wurden nicht verfügt“ (zitiert nach Goldhammer, Jugend Frankens, S. 188).

Schließlich fand eine große Manifestation katholischer Jugendorganisationen am Christkönigfest 1934 statt. Zum Christkönigsfest am 28. Oktober 1934, das als Hochfest der Katholischen Aktion ausgerufen worden war, versammelten sich allein 30000 Jugendliche im Kölner Dom, gleichzeitig waren auch die Dome in Münster, Aachen, Paderborn, Fulda, Regensburg und Augsburg voller Jugendlicher. In Würzburg war die Frankenhalle im Zuge einer kirchlichen Kundgebung mit dem Würzburger Bischof völlig überfüllt (Roth, Dokumente, S. 226, Anm. 77; Karl-Werner Goldhammer: Katholische Jugend Frankens im Dritten Reich, 1987, S. 246 und 292).

1935

Im Juli 1935 gab Göring als Preußischer Ministerpräsident und Chef der Gestapo einen Ministerialerlass heraus, in dem er ein strenges Vorgehen gegen den “politischen Katholizismus, oppositionelle Priester und ehemalige Zentrumspolitiker“ anordnete. Die gesetzlichen Bestimmungen gegen staatsfeindliche Betätigung Geistlicher sollten streng angewendet werden, „Übergriffe“ der katholischen Jugendverbände verhindert werden. Er drohte mit dem Verbot aller katholischen Jugendorganisationen (abgedruckt auf der Titelseite der SZ vom 18.7.35: „Göring gegen politischen Katholizismus“). Eine Woche später, am 23. Juli 1935, fasste Himmler in einer Polizeiverordnung alle bisherigen regionalen Bestimmungen zusammen: „Allen konfessionellen Jugendverbänden ... ist jede Betätigung, die nicht rein kirchlich-religiöser Art ist, insbesondere eine solcher politischer, sportlicher und volkssportlicher Art untersagt.“ Außerdem ist „das Tragen von Uniformen“ oder von „Abzeichen, welche die Zugehörigkeit zu einem konfessionellen Jugendverband kenntlich machen“ verboten. Untersagt ist das „Tragen von Kluft und Abzeichen, das geschlossene Auftreten in der Öffentlichkeit, das Wandern und Zelten, das öffentliche Mitführen von Fahnen und Wimpeln und jegliche Form des Sports.“ Die Bischöfe protestierten zwar in einer Denkschrift gegen diese Verordnung, aber ohne Erfolg (Schellenberger, Katholische Jugend, S. 143 Anm. 415).

Bereits im August 1935 war von der Fuldaer Bischofskonferenz eine Kommission eingesetzt worden, die an den „Grundlagen für eine Neuordnung der Jugendseelsorge“ arbeiten sollte. In der Kommission waren die Jugendverbände zwar vertreten, spürten aber ein starkes Widerstreben gegen die katholische Verbandsarbeit bei den anderen Mitgliedern und eine Uneinigkeit der Bischöfe über die zukünftige Rolle der Verbände (Schellenberger, Katholische Jugend, S. 164). Im April 1936 erschienen dann die bischöflichen „Richtlinien für die katholische Jugendseelsorge“ (Hasenteufel, Selbstand, Nr. 11, S. 334-338). Sie sahen die Einrichtung einer Reichsstelle für Jugendseelsorger und der Bischöflichen Jugendseelsorgeämter vor, deren jeweilige Leiter in Personalunion die Diözesanpräsides der noch bestehenden Verbände wurden. Außerdem wurde der Aufbau von Pfarrjugendgruppen beschlossen. Durch diese Richtlinien wurde zwar die „Gemeinschaftsmesse“ zum „Angelpunkt der Jugendarbeit“ (vgl. Theodor Maas-Ewerd: Die Krise der liturgischen Bewegung in Deutschland und Österreich, 1981, S. 67) und auch die jährlichen „Bekenntnistage“ sollten weiterhin „Demonstrationen der Geschlossenheit“ sein (Josef Fuchs/Karl Hofmann/Hans Thieme (Hrsg.): Christus!, nicht Hitler. Zeugnis und Widerstand von Katholiken in der Diözese Augsburg zur Zeit des Nationalsozialismus, St. Ottilien 1984, S. 46). Doch schon der erste dieser Bekenntnistage am 7. bzw. 14. Juni 1936 konnte nicht mehr an die frühere Außenwirkung anknüpfen. Die Richtlinien leiteten vielmehr den geordneten „Rückzug in die Pfarrseelsorge“ ein. Gegen die Weiterführung der verbotenen Gruppenarbeit als Ministranten- und Pfarrjugendarbeit waren die nationalsozialistischen Behörden weitgehend machtlos, da ihnen „kein Gesetz Handlungsmöglichkeiten gab, solange nicht gegen das Uniformverbot und das Sportverbot ... verstoßen wurde.“

1936

Daher gab die Reichsjugendführung als Gegenreaktion am 28. Oktober 1936 Richtlinien zur Bekämpfung der katholischen Jugendverbände heraus, die vertraulich an die Unterstellen mitgeteilt wurden. Der Text sprach von „zwei Möglichkeiten eine feindliche Bewegung zu vernichten“: die Auflösung bzw. das Verbot der gegnerischen Gemeinschaft oder aber die „planvolle und systematische Bekämpfung“. Letztere sei „die allein versprechende“ Methode. Die Richtlinien besagen daher, erstens die listenmäßige, gebietsweise Erfassung aller Gegner, hauptsächlich aber der konfessionellen Verbände, um „bei einer späteren endgültigen Auflösung der Verbände“ zu wissen, „wann und wo überhaupt aufzulösen ist“, die Überprüfung von eventuell übergetretenen Personen, mögliche Führungspersönlichkeiten „auf ihre Vergangenheit“ überprüfen zu können und so zu verhindern, dass ehemalige Gegner in Führungspositionen gelangen, insbesondere auch in Bezug auf „Bewerber für den Beamten- und Angestellten-Dienst in Orts- und Kommunalbehörden.“ Interessant ist dabei die vorgeschlagene Strategie gegenüber der katholischen Jugend: „Der katholischen Jugend, als dem Hauptgegner, ist in Zukunft öffentlich keine Beachtung mehr zu schenken. Sie muss links liegen gelassen werden und höchstens noch lächerlich gemacht werden“ (Weisenborn, Günter: Der lautlose Widerstand. Bericht über die Widerstandsbewegung des deutschen Volkes 1933-1945. 4. Auflage Frankfurt 1974, S. 68 f.).

Am 1. Dezember 1936 folgte dann das „Gesetz über die Hitlerjugend“, das alle deutschen Jugendlichen vom 10. Lebensjahr an zum Dienst bzw. zur Mitgliedschaft in der Hitlerjugend bzw. im Bund deutscher Mädchen verpflichtete: „Von der Jugend hängt die Zukunft des Deutschen Volkes ab. Die gesamte deutsche Jugend muss deshalb auf ihre künftigen Pflichten vorbereitet werden. ... § 1. Die gesamte deutsche Jugend innerhalb des Reichsgebietes ist in der Hitlerjugend zusammengefasst. § 2. Die gesamte deutsche Jugend ist außer in Elternhaus und Schule in der Hitlerjugend körperlich, geistig und sittlich im Geiste des Nationalsozialismus zum Dienst am Volk und zur Volksgemeinschaft zu erziehen. § 3. Die Aufgabe der Erziehung der gesamten deutschen Jugend in der Hitlerjugend wird dem Reichsjugendführer der NSDAP übertragen. ...“ (Reichsgesetzblatt 1936 I, S. 993).

Der Reichsjugendführer verkündete am 9. Dezember 1936 vollmundig, dass nun alle Probleme mit konfessionellen Jugendorganisationen beseitigt seien. Dass keineswegs alle Probleme beseitigt waren, zeigte seine Verfügung vom 18. Juni 1937, in dem er das Verbot der Doppelmitgliedschaft erneuerte und diese durch eine restriktive Verordnung über die „Urlaubsgewährung für kirchliche Veranstaltungen“ ergänzte (Conrad, Walter: Der Kampf um die Kanzeln: Erinnerungen und Dokumente aus der Hitlerzeit, 1957, S. 138).

1937

Auch das nunmehr forsche Vorgehen der Nationalsozialisten gegen den Jungmännerverband stand in diesen Zusammenhang. Zunächst wurde am 7. Juli 1937 der Diözesanverband Paderborn des Jungmännerverbandes verboten mit der Begründung, „durch Wanderfahrten, Zelten und sportliche Spiele gegen die Verordnung betreffs Verbot der Betätigung der konfessionellen Jugendverbände vom 23. Juli 1935 ... laufend verstoßen zu haben“ (H. Roth: Katholische Jugend in der NS-Zeit unter besonderer Berücksichtigung des Katholischen Jungmännerverbandes, Düsseldorf 1959, Nr. 76, S. 144). Am 27. Oktober 1937 folgte der Diözesanverband Münster, am 12. November 1937 der Diözesanverband Trier. Am 19. November 1937 wurde auf einer Konferenz in Köln - von Bischof Spohr angestoßen - die Selbstauflösung zur besseren Vermögenssicherung diskutiert, doch zwanzig Diözesanverbände sprachen sich dagegen aus (B. Schellenberger: Katholische Jugend und Drittes Reich. Eine Geschichte des katholischen Jungmännerverbandes 1933-1939, Mainz 1975, S. 171f.). Am 26. November 1937 wurde der Diözesanverband Limburg aufgelöst.

Die Situation auf der Burg ab Herbst 1933

1933

Auch an Burg Rothenfels ging dieser Kampf um die Vorherrschaft keineswegs spurlos vorüber. Im Winter 1933/34 kamen Gestapo-Leute auf die Burg zur Kanzlistin und wollten sich im Büro umsehen: „Sie sahen die Gesamtausgabe der Schildgenossen, und fragten sofort: „Was bedeutet hier das Wort `GENOSSEN?´ Ich erklärte: `Eine frühmittelalterliche Kampfgemeinschaft, die aus dem Schutz eines einzelnen Schildes angreift. Mit sozialistischer Parteianrede hat der Titel nichts zu tun.´ Sie sahen mich ungläubig an. `Blättern Sie die Ausgaben doch mal durch!´, sagte ich, was sie auch taten. Sie ahnten ja nicht, dass ich zwei Hefte 1932/33 herausgenommen hatte. Das erste enthielt eine Hitler-Charakteristik von Dr. Lorenz Fischer. Ich erinnere mich heute noch an den Schluß des Artikels: `Sie gaben ihre Stimme dem Anstreicher, dem Meldegänger von Flandern!´ Dieser eine Satz hätte der Burg zum Verhängnis werden können. Das andere Heft gab eine soziologische Analyse der Parteigenossen, ihrer Herkunft, ihrer wirtschaftlichen Situation und ihres Profitstrebens von Walter Dirks. In keinem anderen Heft war ein staatspolitischer Aufsatz“ (Wilmes, a.a.O., IIB, S. 12 f.) Die Gestapo zog unverrichteter Dinge wieder ab. Dennoch vermuteten sie weiterhin, wie auch der beförderungseifrige Rothenfelser Gendarm, immer wieder, die Burg sei ein „antifaschistisches Widerstandsnest“ (ebd.).

1934

Am 3. Februar 1934 sprach Guardini mit Görner über die Aufgabe von Grundsätzen durch die katholische Kirche und ihre Verbände, nachdem viele Verbände Anfang 1934 planten, das konfessionelle Prinzip aufzugeben. Aus der Sicht des C.V. stellt sich die Aufgabe des konfessionellen Prinzips als notwendiges Zugeständnis dar, um so die für alle Studenten geplante Verpflichtung zur unbedingten Satisfaktion abzuwenden. Am 2. Januar 1934 waren alle Studentischen Verbindungen dem Reichsführer des Deutschen Studentenwerkes unterstellt worden. Faktisch seien aber weiterhin nur katholische Studenten aufgenommen worden. Die weitere Zerschlagung der Korporationen konnte diese Anpassung allerdings auch nicht verhindern. Viele Würdenträger hatten bis dahin den C.V. im Gegensatz zum Quickborn als “Hüter des Katholizismus hingestellt”, als “`Elite´ des Katholischen”. Wenn nun aber die Elite “am ehesten ihre Grundsätze” aufgibt, merke Hitler dadurch, “dass die katholische Kirche doch nicht so eine Macht ist, wie er dachte. Denn es werden noch viele so schnell ihre Grundsätze aufgeben.” Der C.V. hat das konfessionelle Prinzip schließlich einen Tag nach diesem Gespräch zwischen Guardini und Görner auf der Bonner Führerringtagung tatsächlich aufgegeben (Die Einladung zur Bonner Führerringtagung war unter dem 30. Januar 1934 erfolgt. Diese könnte Anlass des Gesprächs zwischen Guardini und Görner gewesen sein. Vgl. zum Vorgang Stitz, Peter. Der CV 1919-1938, 1970, S. 262 f.).

Wilmes berichtete im Rückblick, dass die Burgbewohner den ganzen Sommer 1934 über systematisch beobachtet wurden. Dass die Spitzel nicht fündig wurden, lag laut Wilmes an der Weltanschauung Romano Guardinis. In ihr „hatte die Politik zwar ihren Platz, aber sie war der Religion nachgeordnet“ (ebd., S. 12) Da die Beschwerden und Verwarnungen allerdings immer feindseliger wurden, erwies es sich als wichtig, dass Lene Merz, die Schwester von Elisabeth Merz, verh. Wilmes, “die Frauenschaftsleiterin von Bergrothenfels war. Durch diesen Posten konnte sie ihre Loyalität beweisen. Sie hatte sich nicht um das Amt beworben, sondern der Bürgermeister des Dorfes hatte es ihr im Namen der Gemeinde angeboten, weil sie seit 1927 im Dorf kranke und arme Leute betreute und sich besonders der Kinder angenommen hatte“ (Wilmes, a.a.O., IIB, S. 15).

Wilmes berichtet für den August 1934: “Während einer Werkwoche fand die Volksabstimmung vom 19.8.1934 über die Zusammenlegung der Ämter des Reichspräsidenten und Reichskanzlers statt. Die Burg war bis zum letzten Platz besetzt. Die Ortschaft Bergrothenfels hatte nur eine geringe Einwohnerzahl, die aus Angst mit „Ja“ wählte. Darum beschlossen wir, Reisebusse zu bestellen, um nsere Gäste zu auswärtigen Wahllokalen zu bringen, weil niemand durch Anzeige der Gestapo in die Hände fallen wollte, um mehrere Wochen in einem politischen Schulungslager gedrillt zu werden. Die Rundfahrten wurden zum Teufelskreis. Die Wahlleiter ließen Zugereiste nicht an die Urnen aus Angst vor „Nein-Stimmen“. Später haben wir uns unter zuverlässigen Freunden oft befragt, wer Hitler zum Präsidenten gewählt habe. Die Antwort war ein Achselzucken. An 90% Ja-Stimmen glaubten wir nicht“ (Wilmes, a.a.O., IIB, S. 13).

1935

Im Herbst 1935 hat dann nicht nur das Arbeitsdienstlager vorzeitig die Burg verlassen (Wilmes, a.a.O., IIA, S. 34), sondern nach achtjähriger Tätigkeit in der Burgkanzlei auch Elisabeth, auch Lisbeth Merz, die spätere Frau von Wilmes. Sie hatte bis zu diesem Zeitpunkt auch die Burgchronik geführt. Dies übernahm nun bis Ende 1936 ihre Schwester, die bislang die Hauswirtschaft der Burg leitete (Meinrad Schaab, in: Wilmes, 1981, S. 3).

Lene Merz, die spätere Frau von Hans Waltmann, trat nach einiger Zeit als Hauswirtschaftsleiterin der Burg formal der NSDAP bei und arbeitete bei der örtlichen NS-Frauenschaft im notwendigen Umfang mit, um die Burg vor der mehrfach angedrohten Konfiskation zu retten. Die Aufnahme wurde ihr gewährt und das Datum auf 1933 rückdatiert.

Nach dem Krieg schrieb ihr Guardini ein Entlastungs-Gutachten: Trotz der Mitgliedschaft in der Partei und der auf Druck des Kreisleiters übernommenen Leitung der Frauenschaftszelle von Burg Rothenfels, die sie wie eine christliche Frauenvereinigung geführt habe, sei “sie eine viel entschiedenere Anti-Nationalsozialistin gewesen, als so manche andere Frau, die sich von der Partei ferngehalten hat, aber auch die Dinge gehen ließ, wie sie wollten.”

Allgemein spricht Guardini dort über die Burg, sie sei “in den zwanzig Jahren ihres Bestehens (1919-1939) immer im entschiedensten christlichen und demokratischen Geiste geführt worden. Burg Rothenfels wurde zu einem der wichtigsten Mittelpunkte anti-nationalsozialistischer Bildung; so musste sie bald verdächtig werden.” Um diesem Verdacht und der drohenden Konfiskation entgegenzuwirken, musste den neuen Machthabern Konzessionen gemacht werden, zumal vom Kreisleiter als auch anderen Stellen immer wieder konkrete Drohungen kamen, gegen die Burg vorzugehen.

Meinrad Schaab zitiere dazu aus einem persönlichen Brief von Elisabeth Wilmes: “Wir standen unversehens an der Schwelle eines weltanschaulichen Freiheitskampfes mit der Ideologie und dem Polizeiapparat des totalitären Regimes. Wir waren genötigt, Loyalität zu zeigen, wo wir geistige Sabotage betrieben. Das konnte nicht harmlos sein; es führte durch peinliche Gewissenskonflikte in graduelle Kompromisse. Diese haben seelische Narben hinterlassen, über die man am besten schweigt” (Schaab, ebd., S. 4).

Und Guardini ergänzte im Entlastungs-Gutachten für Lene Merz vom 11. Mai 1946: “Wenn Burg Rothenfels bis zum Herbst 1939 ihrer ganz anti-nationalsozialistischen Arbeit erhalten werden konnte, so ist das zu einem guten Teil der Tatsache zu verdanken, dass Frau Lene Waltmann durch ihre Zugehörigkeit zur Partei und ihre Stellung in der Frauenschaft immer wieder die Lage entspannen, Angriffe auffangen, Gegenaktionen durchführen konnte usw.” (zitiert nach Gerl, 1985, S. 243).

1936

Vom 6. April 1936 datiert ein Fernschreiben der politischen Polizei Würzburg, in dem der Unterzeichnende um schnellste Weisung ersucht, ob er „das Kapitel Burg Rothenfels durch die Verhinderung der Zusammenkunft abschliessen kann, um die Burg endlich auszuräumen“ (Zitiert nach Walter Baier: Erinnerungen aus der Zeit um und mit Romano Guardini, in: Katholische Akademie, Guardini-Archiv, Nr. 3025, Zusatzblatt 29a).

1936 gründete Guardini gemeinsam mit Hans Waltmann die Verlagsabteilung „Die Burg“ im Werkbundverlag Würzburg, die dann alsbald auf der Liste „unerwünschter Verlage“ stand und ihm 1940 jegliche Papierzuteilung gesperrt wurde.

Ende 1936 wurde die Burgchronik eingestellt, “um der Geheimen Staatspolizei kein Material zu bieten” (Schaab, ebd., S. 3; abgedruckt auch bei Gerl, 1985, S. 243).

1937

1937 war auch Hans Waltmann aus taktischen Gründen und in Absprache mit Guardini Anwärter der nationalsozialistischen Partei geworden. Im Entnazifierungsgutachten Guardinis vom 11. Mai 1946 heißt es zu den diesen Jahren, Waltmann sei nie vereidigtes Mitglied gewesen, den Antrag habe er gestellt, „um die Burg, die sich zu einem der wichtigsten Mittelpunkte christlicher Bildung entwickelt hatte, vor der Konfiskation zu retten. Es ist denn auch in erster Linie seiner und seiner Frau Bemühungen zu verdanken, wenn die Burg bis zum Herbst 1939 ihrer Aufgabe erhalten blieb.“ Guardini betont, dass dabei „keinerlei Konzession an die nationalsozialistische Gesinnung geschehen“ sei: „Die ganze Arbeit der Burg ist immer kompromisslos in jenem christlichen und wirklich demokratischen Geiste getan worden, wie es der Tradition der Quickborn-Bewegung entsprach. Bei alledem haben Herr und Frau Waltmann ein höheres Maß von geistiger Klarheit, Charakterfestigkeit und Mut beweisen müssen, als manch einer, der nicht in die Partei eingetreten ist und heute tadellos dasteht. Die Arbeit auf Burg Rothenfels hat auch die persönliche Sicherheit und die wirtschaftliche Position von Herrn und Frau Waltmann immerfort gefährdet. Behörden und Gestapo wussten genau, dass sie die eigentlichen Verteidiger der Burg waren“ (Stabi München An 342, Schachtel 11, Mappe A).

Der Druck, der in diesem Jahr auf Burg Rothenfels herrschte, muss enorm gewesen sein. Nur so erklärt sich der Abdruck der Satzungsparagraphen 2 und 3 im Burgbrief vom April/Juni 1937, aus denen sich eindeutig ergebe, „dass die Vereinigung der Freunde von Burg Rothenfels keinerlei Aufgaben hat, welche über den unmittelbaren Bereich von Burg Rothenfels und der auf ihr geleisteten Arbeit hinausgehen“ und „dass die Vereinigung der Freunde von Burg Rothenfels in keiner Weise mit einer konfessionellen Jugendorganisation verwechselt werden kann“ (Burgbrief, 1936, April/Juni 1937, S. 11). Mit dem Burgbrief Juli/Dezember 1937 wurde das Erscheinen eingestellt.

Felix Messerschmid kommentierte später das Engagement der Waltmanns: „Das alles ist die Burg geblieben, nach 1933 für die drei ersten Punkte der Aufzählung im Untergrund, abgedeckt von zwei tapferen Menschen, die nach der Beschlagnahme und nach dem vollendeten Marasmus von 1945 dafür vielfachen Undank erfahren haben“ (Messerschmid, Felix: Bilanz einer Jugendbewegung. Quickborn und Rothenfels von den Anfängen bis 1939, in: Burgbrief 1/70, S. 7).

Das nahende Ende der Burg

1938

Die Auflösung der Diözesanverbände der Jungmänner durch die Nationalsozialisten schritt immer weiter voran. Am 1. Februar 1938 wurden die Diözesanverbände der Jungmänner in Köln und Aachen (Roth, Dokumente, S. 55 f.) und schließlich bis Juni 1938 dann auch in sämtlichen bayerischen Diözesen (ebd., S. 56) aufgelöst.

Mittlerweile zweifelte der Sicherheitsdienst des Reichsführers SS, Oberabschnitt Süd, Unterabschnitt Mainfranken immer deutlicher an der politischen Zuverlässigkeit von Lene Waltmann. In einem Schreiben an die geheime Staatspolizeistelle Würzburg vom 29. April 1938 heißt es: „Frau Waltmann ist ungeachtet ihrer Mitgliedschaft zur NSDAP und ihrer Eigenschaft als Frauenschaftsverwalterin in Bergrothenfels, politisch absolut unzuverlässig. Bei Frau Waltmann handelt es sich zusammenfassend um eine fanatische Anhängerin des politischen Katholizismus, die es geschickt versteht ihre wirkliche Haltung unter angeblich nat.soz. Einstellung zu verbergen....“ Diese Zweifel galten aber nicht nur Lene Waltmann, sondern der gesamten Vereinigung der Burgfreunde: „Die Vereinigung der Burgfreunde, die im schärfsten Gegensatz zum Nationalsozialismus steht, ist trotz aller gegenteiligen Versicherungen eine Zusammenfassung von Kräften zur Bekämpfung und Überwindung der nat.soz. Weltanschauung“ (Schreiben des Sicherheitsdienstes des Reichsführers SS, Oberabschnitt Süd, Unterabschnitt Main-franken, an die geheime Staatspolizeistelle Würzburg vom 29. April 1938, zitiert nach Baier, Walter: Erinnerungen aus der Zeit um und mit Romano Guardini, in: Katholische Akademie, Guardini-Archiv, Nr. 3025, Zusatzblatt 29a).

Am 3. Mai 1938 teilt der Sicherheitsdienst an die Würzburger Gestapo seine Einschätzung bezüglich Belastungsmaterialien mit. Demnach wurde eine Haussuchung auf der Burg wegen Aussichtslosigkeit nicht für tunlich gehalten, allenfalls erfolgsversprechender beim geistigen Haupt der Vereinigung, also bei Romano Guardini (Schreiben des Sicherheitsdienstes an die Gestapo in Würzburg vom 3. Mai 1938, in: ebd.). „Als besonders belastend für Guardini als dem Nachfolger Dr. Strehlers erschien uns dessen Bestrebungen um ein neues Gemeinschaftsleben auf der Burg, das, nachdem es auch zeitweilig verwirklicht wurde, aus der Sicht der Gestapo gewisse sozialistische, wenn nicht gar kommunistische Kriterien hätte verdächtigen lassen können“ (Barbers??? S. 30).

Am 20. Juli 1938 wurde das Verbot der bündischen Jugend durch eine Verordnung neu gefasst. Danach ist die Fortführung der bündischen Jugend untersagt. Namentlich werden unter anderem aufgeführt: Deutsche Freischar, Freischar junge Nation, Großdeutscher Bund, Deutsche Jungenschaft vom 1.11., Deutsche Jugendtracht, Österreichisches Jungenkorps, Graues Korps, Nerother Bund, Bund für Errichtung der rheinischen Jugendburg, Reichsschaft deutscher Pfadfinder, Deutscher Pfadfinderbund, Österreichischer Pfadfinderbund, Christliche Pfadfinderschaft, Deutsche Pfadfinderschaft, St. Georgs-Pfadfinderkorps, Quickborn-Jungenschaft, Deutschmeister-Jungenschaft, Stormkreis, Grauer Orden, Freischar Schill und Eidgenossen, Bündischer Selbstschutz, Navajo: „Wer es unternimmt, den organisatorischen Zusammenhalt einer früheren bündischen Vereinigung aufrecht zu erhalten oder eine neue bündische Vereinigung zu bilden, insbesondere wer auf andere Personen durch Weitergeben von bündischen Schrifttums, Liederbüchern, u. dergl. in diesem Sinne einwirkt oder wer bündische Bestrebungen in anderer Weise unterstützt, wird ... bestraft.“

Bereits in diesem Sommer 1938 hatten viele Quickborner “den Eindruck, dass wir im nächsten Jahr nicht zusammensein können. Man musste immer vorsichtiger werden. Jeder Teilnehmer musste damit rechnen, von der Gestapo beobachtet zu werden. Wir hielten uns zurück und sprachen kein Wort über Politik. Alle fragten sich: Wie soll das mal werden? In Gesprächen wuchs unsere Überzeugung: Wir halten durch - Wir sind wir” (So Valentin Dries, in: Moguntinum, S. 35).

Elisabeth Wilmes berichtete dazu, sie habe im Sommer 1938 Guardini im Beisein von Amman, Schwarz, Waltmann, Lene Merz und Messerschmied die bebilderte Burgchronik zum Geschenk gemacht. Die Erinnerung an den Ausbau der Burg sei dabei getrübt worden, von der gerade laufenden “Aktion der Geheimen Staatspolizei gegen die bündische Jugend, die sich illegal neu formiert hatte. Es war nicht auszuschließen, dass auch uns trotz des Konkordats ein bitteres Los bevorstand” (Wilmes, 1981, S. 5).

1939

Am 25. Januar 1939 folgte schließlich noch formell das zentrale Verbot für den katholischen Jungmännerverband Deutschlands (???). Auf dieser Grundlage erfolgte am 6. Februar 1939 die Auflösung des katholischen Jungmännerverbandes als Gesamtverband sowie der übrigen noch existierenden katholischen Jugendverbände wegen „staatsabträglicher Betätigung“ unter Beschlagnahme ihres Vermögens sowie der schon lange erwartete Schlag gegen das Jugendhaus Düsseldorf: „140 Gestapo-Beamte besetzten das Jugendhaus. ... Es wurde uns bekundet, dass wir fristlos entlassen seien. Generalpräses wollte noch ein Abschiedswort an seine Mitarbeiter richten, es wurde ihm verwehrt. Da forderte er im Beisein der verlegenen Staatspolizei auf, ein gemeinsames „Vater unser“ zu beten ... Dann stellte er sich an die Tür und gab jedem den Handschlag des Dankes und der Treue“ (Laut Ansprache von A. Fehrenbach am 9.11.1951, zitiert nach Schellenberger, Katholische Jugend, S. 173).

Am 25. März 1939 erließ Hitler die bereits im Gesetz über die Hitlerjugend 1936 angekündigten Durchführungsbestimmungen. Darin verpflichtete er alle „arischen“ Jugendlichen nochmals gesetzlich zur Mitgliedschaft. Dabei wurde in der „1. DFVO zum Gesetz über die Hitler-Jugend (Allgemeine Bestimmungen)“ und die „2. DFVO („Jugenddienstverordnung“) unterschieden (RGBl. 1939, Teil I, S. 709-712 und ANBl. Sonderdruck 2/39, 6.4.1939, S. 1-8). Damit verbunden war die Unterscheidung zwischen einer allgemeinen Pflicht-Hitler-Jugend und der Stamm-Hitler-Jugend als Gliederung der Partei (Kollmeier, Kathrin: Ordnung und Ausgrenzung. Die Disziplinarpolitik der Hitler-Jugend, 2007, S. 199). Durch die dadurch gegebene Möglichkeit der Übernahme bei Bewährung und Degradierung bei Nicht-Bewährung sollte die gleichzeitig eingeführte „Dienstpflicht“ zu einem Mittel der totalen Erfassung aller jungen Menschen ab dem 10. Lebensjahr werden. Zwar zogen auch weiterhin Jungen und Mädchen in katholischen Gemeinden vielfach katholische Jugendveranstaltungen und den Ministrantendienst der Dienstpflicht in der Hitlerjugend vor, aber mit dieser Durchführungsbestimmungen konnte sie förmlich zu einer offenen Verweigerung der Staatspflicht angesehen werden, wenn die Hitlerjugend gleichzeitig Dienst angesetzt hatte (Goldhammer, a.a.O., 1987, S. 298; Andreas Briegel: Der Widerstand der katholischen Jugend im Nationalsozialismus, 1994 - http://www.briegel-online.de/zulas/ZL1-4.HTM#2e.).

Dies galt im Übrigen analog auch für die Teilnahme an Zusammenkünften auf Burg Rothenfels, sofern diese mit verpflichtenden Veranstaltungen der Hitler-Jugend kollidierten.

Guardini war Ostern (Ostersonntag=9.4.) und Pfingsten 1939 (Pfingstsonntag=28.5.) auf der Burg. Bei der Ostertagung auf Burg Rothenfels wurde der Kaufmann Josef Seipel aus Düsseldorf am 9. April 1939 zum neuen Vorsitzenden der Vereinigung der Freunde der Burg Rothenfels gewählt. Er kannte Romano Guardini schon seit Jugendzeiten (Meinulf Barbers: Burg Rothenfels und der Quickborn von 1939 bis 1959 (Teil 1), in: rothenfelser burgbrief 02/09, S. 29-33, hier S. 29).

Felix Messerschmid berichtete im Rückblick: „Wir wussten, dass Gestapo anwesend war und die Teilnehmerlisten eingefordert hatte“ (Zitiert nach Karl Dietrich Erdmann, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 32, 1981, S. 330 in seinem Nachruf auf Felix Messerschmid).

Am 3. Juli 1939 wurde schließlich auch das Bundeshaus der Zentralverbände der katholischen Jungfrauenvereinigungen und der Frauen- und Müttervereine geschlossen. Am 11. November 1939 wurden beide schließlich unter Beschlagnahme ihres Vermögens aufgelöst (Erwin Gatz: Geschichte des kirchlichen Lebens in den deutschsprachigen Ländern seit dem Ende des 18. Jahrhunderts: die Katholische Kirche, Bd. 1, Bd. 8, 2008, S. 246.???).

Am 24. Juli 1939 erfolgte der Erlass des Reichsführers SS und Chef der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern (Gutachten des Instituts für Zeitgeschichte, 1958, S. 18), aufgrund dessen die Burg beschlagnahmt und die Vereinigung der Freunde von Burg Rothenfels e.V. und des Bundes Quickborn aufgelöst wurden, „einschließlich aller Neben- und Untergliederungen und angeschlossenen Vereinigungen“: „Die beiden vorgehend genannten Jugendvereinigungen gehören zu denjenigen konfessionellen Organisationen, deren Mitglieder sich nicht nur darauf beschränken, den heutigen Staat aus ihrer innerkirchlich gebundenen Haltung heraus abzulehnen, sondern darüber hinaus jede sich bietende Gelegenheit benutzen, durch bewusste Mißachtung der Gesetze und sonstiger Vorschriften ihrer staatsfeindlichen Einstellung besonderen Ausdruck zu verleihen. So mussten gegen Angehörige der beiden Organisationen zahlreiche Strafverfahren wegen Zuwiderhandlung gegen die VO vom 23.7.33, die den konfessionellen Vereinen jede sportliche Tätigkeit untersagt, eingeleitet werden. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass mehrere Gruppen des Quickborn ihre Jugendarbeit in ausgesprochen bündischem Sinne ausgerichtet hatten, sodass neben Strafverfahren in zahlreichen Fällen staatspolizeiliche Maßnahmen ergriffen werden mussten. Die Anleitung und Anweisung für diese staatsfeindliche Tätigkeit ging von den Zentralinstanzen der beiden Vereinigungen aus“ (???).

Den Sommer 1939 hatte Guardini zunächst in Isola und dann bei Sattlers in Grendach verbracht (???). Dort erhielt er wenige Tage vor dem 7. August die Nachricht, dass eine Räumung der Burg kurz bevorstehe. Der Quickborner Walther Baier hat dies zufällig in Uettingen bei einem Gespräch vermutlich von Gestapo-Leuten mitgehört, Guardini bei Sattlers benachrichtigt, Rolf Ammann in Schwabing aufgesucht, der sofort alle Dokumente und Unterlagen verbrannte.

“Besonders belastend für Guardini erschienen uns als dem Nachfolger von Dr. Strehler dessen kaum wieder erbringlichen Vorstellungen eines `sozialistisch verdächtigten´ Gemeinschaftslebens auf der Burg, die sich wohl auch kurzfristig vordem verwirklicht hatten. Selbst auf der Heimfahrt entledigten wir uns noch im Altmühltal mancher heute wieder wichtigen Papiere. Vielleicht haben wir G(uardini) dadurch vor weiteren Gräuslichkeiten (KZ?) bewahrt” (Brief von Walther Baier an Ingeborg Klimmer vom März 1983 (im Besitz von Gerl), zitiert nach Gerl, 1985, S. 248).

Tatsächlich wurde am 7. August 1939 die Burg von der Gestapo “turbulent konfisziert” (Wilmes, 1981, S. 6), die “Vereinigung der Freunde von Burg Rothenfels e.V.” und der Quickbornbund aufgelöst und das gesamte Vermögen dieser Organisationen unter Berufung auf den Erlass vom 24. Juli beschlagnahmt (Willi Fiege: Burg Rothenfels von 1933 bis 1945, in: Ludwig Weiss (Hrsg.): Rothenfels 1148-1948, S. 129). Die Burg wurde von 1939 bis 1948 als Lager für Evakuierte, Umsiedler, Deportierte und Flüchtlinge genutzt (Binkowski, S. 144; Fiege, a.a.O., S. 127 ff; Abdruck in: Konturen 01/08, S. 5ff.).

Nachdem bereits zuvor Spitzel eingeschleust und immer wieder Haussuchungen nach “staatsfeindlichem” Material durchgeführt wurden, aber erfolglos blieben, war in dieser Hinsicht die vollständige Konfiszierung gefährlicher. Gerade noch rechtzeitig zuvor konnten die Waltmanns “alles Handschriftliche, vor allem die Korrespondenz” verbrennen (Heist, in: Romano Guardini. Der Mensch. Die Wirkung. Begegnung, S. 64).

Dabei mussten sich Lene und Hans Waltmann in getrennten Verhören “gegen die entscheidende Belastung, die im Erziehungserlaß aus Berlin vom 24. Juli 1939 behauptet wurde” - nämlich: “Die Anleitung und Anweisung für diese staatsfeindliche Tätigkeit ging von den Zentralinstanzen der beiden Vereinigungen aus” - verteidigen. Unter Druck unterschrieben sie den Erziehungserlass in der Hoffnung, frei abziehen zu dürfen. Die geplante sofortige Räumung löste auf der stark belegten Burg begreifliche Panik aus, bis die Gestapo-Beamten die Situation der Besucher in etwa begriffen und die Räumungsfrist widerwillig verlängerten (Wilmes, 1981, S. 32).

“Selbst nach der Besetzung hat Hans Waltmann durch eine nicht unbedenkliche Kletterei nächtlicherweilen weiteres gefährliches Material aus dem bewachten Büro am Burgeingang herausgeholt und wohl dann auch vernichtet” (Brief von Walther Baier an Ingeborg Klimmer vom März 1983 (im Besitz von Gerl), zitiert nach Gerl, 1985, S. 248).

Guardini protestierte gegen die widerrechtliche Enteignung des Vermögens der “Rothenfelser Stiftung e.V.”, insbesondere auch aller sakralen Gegenstände in Kapelle und Sakristei. Die vorausblickende Trennung der Rothenfelser Stiftung von der sonstigen Vereinigung hat sich nun juristisch bewährt, die Eingabe hatte am 9. September Erfolg. Werner Becker konnte zumindest die transportablen Dinge abholen (Gerl, 1985, S. 248f. Unter Verweis auf ein Schreiben des Oberfinanzpräsidenten von Würzburg an Guardini vom 9.9.1940, Stabi).

„Als im Jahre 1939 die Burg „wegen staatsfeindlichen Verhaltens“ konfisziert wurde, waren die Folgen sehr schwer. Herr und Frau Waltmann mussten die Burg verlassen und verloren das Wohnrecht in Stadt und Dorf Rothenfels. Bis zum Jahre 1942 waren ihre Bankkonten beschlagnahmt, und es ist nur glücklicher Fügung zu verdanken, dass es zu keiner Verhaftung kam“ (Stabi München An 342, Schachtel 11, Mappe A)

Ein langer Kampf war verloren, sowohl für die Burg als auch für den Bund.

Die Bewertung der Vorgänge im Rückblick

Die durch den Streit um den richtigen Weg ausgelösten Lagerkämpfe, prägten auch in der Nachkriegszeit die Fragen der Wiedergründung des Bundes und die Rückgewinnung der Burg. Wechselseitige Enttäuschungen erschwerten den Neuanfang, auch wenn viele im Rückblick die Entwicklung nicht nur aus zeitgeschichtlichen Gründen für zwangsläufig hielten, sondern auch im Blick auf die Geschichte der Jugendbewegung insgesamt. Der Pädagoge Paul Schräder schrieb dazu in seinen Erinnerungen: „Das Jahr 1933 brachte den Abschluss dieser dritten Entwicklungsstufe. Unter dem Zwang der politischen Ereignisse wurde die Verbindung zwischen Burg und den noch vorhandenen Bestandteilen des Bundes Quickborn gelöst. Was so von außen her erzwungen wurde, war aber nichts anderes als die Anerkennung und der Vollzug einer gereiften geschichtlichen Tatsache. Burg Rothenfels war nicht mehr Jugendburg. (Volksbildungsstätte im üblichen Sinne war sie nie!). Sie war längst hinausgewachsen über jede bündische Begrenzung und als Vorort lebendiger katholischer Bewegung mitten hineingestellt in die große Auseinandersetzung der Geister. So war der Beschluss von 1933 in tieferer Schau auch nicht das Ergebnis einer Zufallsmehrheit. Ein anderer Beschluss hätte das Rad der Geschichte zurückgedreht“ (Manuskript, S. 2. Zitiert nach ???).

So hielt Schräder auch den von der neuen Bundesleitung des Quickborn Ende 1947 veröffentlichten Aufruf, historisch für irrig, so dass er ihr mit einer Erklärung begegnen wollte. Die vorbereitete Erklärung sandte er einem Kreis von alten Quickbornern mit der Bitte um Unterzeichnung zu, darunter auch Guardini. Die Erklärung ist mir nicht zugänglich, auch ist mir nicht bekannt, ob sie irgendwo gedruckt wurde (Paul Schräder: Die geschichtliche Aufgabe der Burg Rothenfels, 1948/49???).

Im Juli 1948 fand man bei einer Aussprache der unterschiedlichen Gruppen, die Ansprüche auf die Burg erhoben, eine vermeintliche Kompromisslösung für die Bewertung: „Es wird anerkannt, dass es durch die politische Entwicklungen seit 1933 sehr schwierig war, immer den ganz geraden Weg zu gehen und dass es eine Leistung war, die Burg 6 Jahre nach der Machtübernahme noch in unserem Besitz zu haben. Der Segen, den sie durch ihre Tagungen und Werkwochen gestiftet hat, ist nicht abzusehen. Dafür gebühren allen, die zu der Erfüllung dieser ihrer Aufgabe beigetragen haben, voller Dank. Wenn auch manche Entscheidung und manches Verhalten der damals an ihrer Leitung beteiligten nicht von Jedem verstanden werden kann, so wird ausdrücklich anerkannt, dass alles in gutem Glauben geschehen ist und in der Überzeugung, dass damit dem ganzen am besten gedient sei“ (Brief Josef Seipel an Romano Guardini vom 17. Oktober 1948 (Archiv Rothenfels, Romano Guardini Akten zur Wiederbegründung von Burg und Bund 1946-1948, AA 12 GU 1).

Guardini freute sich zum einen, „dass man die ungerechte Haltung aufgegeben hat, welche man der Burgleitung gegenüber eingenommen hatte“, verwahrte sich aber zu Recht gegen den Satz „`Es wird anerkannt, dass es durch die politischen Entwicklungen seit 1933 sehr schwierig war, immer den geraden Weg zu gehen´“: „Das könnte dahin verstanden sein, dass der Weg ein wenig krumm war. Das muss ich ablehnen. Der Weg war ganz gerade. Die andere Seite hätte ihn nicht gerader gehen können. Es ist sehr leicht, aus der sicheren Stellung des Kritisierenden heraus über eine so komplizierte Situation zu urteilen, wie sie droben bestanden hat. Das ist ohne alle Empfindlichkeit, rein um der Sache willen gesagt, und ich bitte Dich, bei der nächsten offiziellen Gelegenheit diese meine Verwahrung bekannt geben zu wollen“ (Brief von Romano Guardini an Josef Seipel vom 28. Oktober 1948 (Archiv Rothenfels, Romano Guardini Akten zur Wiederbegründung von Burg und Bund 1946-1948 , AA 12 GU 1).

In jedem Falle grenzt es angesichts dieses komplexen Vorgangs geradezu an eine, wenn auch aus seiner persönlichen Betroffenheit heraus verständlichen Geschichtsklitterung, wenn Hermann Hoffmann im Rückblick die Auseinandersetzungen von 1927 und 1933/34 miteinander verknüpfte und dabei Guardini vorwarf: „Als geborener Italiener hatte er für Abstinenz kaum Verständnis. Auch der Name Quickborn war ihm zuwider. Er ruhte nicht, bis die `Vereinigung der Freunde Quickborns´ sich den Namen `Vereinigung der Freunde der Burg Rothenfels´ beigelegt hatte. ... Der Hauptgrund für das Nichtverstehen zwischen Strehler und Guardini liegt wohl darin, dass Strehler Pädagoge und Erzieher war, Guardini hingegen ein Mann der Wissenschaft, der ausgelernte Schüler als Hörer für seine Vorträge brauchte. Das Nichtverstehen zwischen beiden ist glücklicherweise nicht allbekannt geworden. Guardini schwebte als Ideal eine katholische Akademie der Wissenschaften und Burg Rothenfels als deren Sitz vor“ (Hermann Hoffmann: Im Dienste des Friedens. Lebenserinnerungen eines katholischen Europäers, Stuttgart/Aalen 1970, S. 184).

Eine persönliche Abneigung Guardinis gegen Abstinenz und den Namen Quickborn als Begründung für die Umbenennung im ersten Jahr der nationalsozialistischen Machtergreifung entbehrt, wie vielfach belegbar, ebenso jeglicher Grundlage, wie die Behauptung, Guardini sei kein Pädagoge und Erzieher gewesen, sondern habe als „Mann der Wissenschaft“ den Quickborn dazu missbraucht, eine Forum für seine Vorträge zu haben. Auch die Behauptung, Guardini habe aus Burg Rothenfels den Sitz einer katholischen Akademie der Wissenschaft machen wollen, kann angesichts der noch 1933 Suche nach geeigneten Standorten für eine Akademie als widerlegt gelten. Guardini war sich immer bewusst, dass die Burg Rothenfels untrennbar mit dem Namen „Quickborn“ verbunden bleiben musste. In jedem Falle hatte sich Guardini in dieser schwierigen Zeit im Blick auf die Frage „Burg oder Bund“ politischer und strategischer verhalten als man ihm im Nachhinein zubilligte. Der Umstand, dass vor allem die Schlesier von 1927 an noch immer Strehler, Hoffmann und jetzt Rogier anhingen, wirkte sich zum Leidwesen Guardinis in einer Spaltung in Burgfreunde-Quickborner und Alt-Quickborner aus, für die er aber zu Recht die Verantwortung von sich wies. Ihm lag daran, die Burg für alle Quickborner möglichst lange als Refugium zu erhalten. Dabei war seine gemeinsam mit der Bundesleitung getroffene Entscheidung, den FAD auf die Burg zu lassen, um Ansprüche der Hitlerjugend oder anderer nationalsozialistischer Verbände abzuwehren, durchaus vertretbar und nachvollziehbar. Diese Entscheidung hatte letztlich dazu geführt, dass nach dem Rückzug des FAD von 1935 bis 1939 zwar, wie andernorts auch, Bespitzelung stattfand, und einzelne nationalsozialistische Gruppen als Gäste Aufnahme fanden, aber ansonsten auf der Burg, der eigentlichen Zweck weiter verfolgt werden konnte: „So war Rothenfels ein Ort der Zuflucht, nicht aber der Weltflucht. Ganz im Gegenteil, alles was hier geschah und probiert wurde, vollzog sich zwar im Abseits und notgedrungen unpolitisch, hatte aber im Sinne Guardinis eine fundamentalpolitische Bedeutung, diente dem „Staat in uns“, während der Staat um uns verkam. Das Wichtigste und Entscheidende war diese innere lebensrettende Funktion der Burg“ (Ingeborg Klimmer: Die Bedeutung Guardinis für die jungen Menschen auf der Burg in den dreißiger Jahren, in: Burgbrief 3/85, S. 11-14, hier S. 11).

„So gab es für Guardini `Grenzen der Gemeinschaft´ und auch Grenzen der Mitteilung, eine Diskretion, die allzu Persönliches verschwieg. ... Noch etwas haben wir bei Guardini, über alles Wissenswerte hinaus, gelernt, eine Methode, nämlich, wie man in einer Welt der Gewalt und des Unrechts leben und überleben kann, ohne sich selber aufzugeben. Guardini war davon überzeugt, dass es keine bessere und gründlichere Widerlegung der Lüge gibt, als die positive, klare und unbeirrbare Darlegung der Wahrheit. Mit der Lüge kann man nicht diskutieren, sie zerstört das Fundament des Dialogs. Deshalb war Rothenfels so wichtig. Hier versuchte Guardini einen Raum zu schaffen, in dem die Wahrheit geborgen war“ (ebd., S. 12)

Die Jugendlichen seien von Guardini auf den Ernstfall vorbereitet worden, den man nicht selber sucht, dem man aber auch nicht ausweicht (ebd., S. 13).