Romano Guardini und die Bedeutung des Dogmas vom dreieinigen Gott für die sehende und erkennende Begegnung zwischen Menschen, Tieren und Dingen: Unterschied zwischen den Versionen
| Zeile 28: | Zeile 28: | ||
== Francis Jammes und die "Gewißheit, daß die Dinge Seelen haben" == | == Francis Jammes und die "Gewißheit, daß die Dinge Seelen haben" == | ||
Als Guardini bei dem französischen Autor Francis Jammes eine kleine Geschichte entdeckte, die er übersetzen wollte, übernahm er bewusst die Weise, in der Francis Jammes über Dinge erzählte. Guardini vergleicht diesen Weise mit einigen Kunstwerken moderner Maler, vor denen man das Gefühl hat, mit dem Stuhl, der Vase oder den Äpfeln sprechen zu können ("Von den Dingen" (1928), in: Spiegel und Gleichnis, a.a.O., S. 63). Die Quintessenz der Geschichte ist: ''„Die Gewißheit, daß die Dinge Seelen haben, lebt in den Kindern, in den Tieren und in den Einfältigen"'' (ebd., S. 65). | |||
== Die Seele von Tieren und die Erwartung in der Natur == | == Die Seele von Tieren und die Erwartung in der Natur == | ||
Version vom 28. November 2025, 14:23 Uhr
Es handelt sich um die deutsche Fassung eines in italienisch gehaltenen und eines voraussichtlich 2026 im Englischen gedruckten Tagungsbeitrag vom 12. Januar 2022. Die hybrid in Rom und virtuell abgehaltene Tagung zum Thema "Threefold seeing" wurde von Yvonne Dohna Schlobitten organisiert.
Ein katholischer und dreifaltiger Weg des Welt-Erkennens
Was ist Sehen und Erkennen für Guardini?
Was ist Begegnung für Guardini ?
Die Begegnungs- und Erkenntnisräume und Polarität von Oben und Innen
Das Verhältnis von Raum und Zeit
Der Mensch "wird" im Raum der gegenständlichen Bestimmtheit des Dings
Das Einzelding und die Ganzheit
Guardinis Unterscheidung zwischen zeitlichen "Räumen" und dem ewigen Raum der Trinität
Sokrates und die Annäherung zwischen dem Erkennenden und der Wahrheit
Die Übertragung auf die Begegnung mit Kunstwerken
Guardini und das "Lob des Buches"
Francis Jammes und die "Gewißheit, daß die Dinge Seelen haben"
Als Guardini bei dem französischen Autor Francis Jammes eine kleine Geschichte entdeckte, die er übersetzen wollte, übernahm er bewusst die Weise, in der Francis Jammes über Dinge erzählte. Guardini vergleicht diesen Weise mit einigen Kunstwerken moderner Maler, vor denen man das Gefühl hat, mit dem Stuhl, der Vase oder den Äpfeln sprechen zu können ("Von den Dingen" (1928), in: Spiegel und Gleichnis, a.a.O., S. 63). Die Quintessenz der Geschichte ist: „Die Gewißheit, daß die Dinge Seelen haben, lebt in den Kindern, in den Tieren und in den Einfältigen" (ebd., S. 65).
Die Seele von Tieren und die Erwartung in der Natur
Bereits in einem Brief an den Schriftsteller Heinrich Hansjakob (1837–1916) vom 15. Januar 1904 offenbarte Guardini seinen Glauben an die Seele der Tiere. Er teile Hansjakobs Ansicht, dass Tiere eine Seele besitzen, auch wenn er für diese Überzeugung oft verspottet wurde. [Werner Scheurer: Heinrich Hansjakob und Romano Guardini, in: Manfred Hildenbrand/Werner Scheurer (Hrsg.): Heinrich Hansjakob (1837-1916). Festschrift zum 150. Geburtstag, 1987, S. 246-251, besonders S. 250].
Obwohl Guardini den Missbrauch des Begriffs der Personalität für Dinge oder Tiere ablehnt, da persönliche Reife, persönlicher Charakter und persönlicher Geist ausschließlich dem Menschen vorbehalten sind, ist er mit Bonaventura und der Heiligen Schrift überzeugt, dass die gesamte Schöpfung Gottes und das menschliche Wirken selbst als „vestigium Dei“ den Charakter der Begegnung, der Verheißung und der Erlösung tragen. Daher schreibt er ihnen jene personalen Anteile zu, die die göttliche und die menschliche Schöpfung als „vestigium Dei“, als „Spurbild“ des Schöpfers, charakterisieren.
Der Verlust des Mysteriums
Guardini schreibt in "Vom lebendigen Gott" (1930): „Wir haben bereits von dem geheimnisvollen Leben gesprochen, das aus Gottes Liebe in den Menschen kommt, "von oben her", "vom Himmel"; das ihm geschenkt wird und doch zutiefst sein eigen und in dem er erst wird, was er eigentlichst sein soll. Was ist es aber mit den Dingen um uns her? Dieses Geheimnis des neuen Lebens - gibt es das nur für den Menschen? All die Dinge der weiten, reichen Welt: die ragenden Berge, die Bäume in der Fülle und im Rätsel ihres stillen Lebens, die Schönheit der Gestirne, die unermeßbaren Gewalten des Alls, das Abgründige der Welt, so tief, so seinsgewaltig sich selbst bezeugend - was ist's damit? All das Große, das Kostbare ringsum - fällt das aus dem Geheimnis des geschenkten Gotteslebens heraus? Reicht dieses Leben nur so weit, als der Mensch reicht? Manche Menschen haben das Gefühl, in der Natur liege eine tiefe Erwartung. Da sei mehr und anderes als nur Dinge, die man greifen und brauchen kann. […] Im Römerbrief heißt es: Denn das sehnsüchtige Harren der Schöpfung wartet auf die Offenbarung der Söhne Gottes. Denn die Schöpfung war der Vergänglichkeit unterworfen; nicht freiwillig, sondern um dessentwillen, der sie unterwarf, auf Hoffnung, dahin, daß auch sie, die Schöpfung, von dem Dienste der Verwesung soll befreit werden zur Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes. Wissen wir ja doch, daß die ganze Schöpfung mitseufzt und in Wehen liegt bis jetzt" (Röm 8,19ff)“ (Guardini, Vom lebendigen Gott, Topos 104, S. 78).
Der hl. Franziskus und das "Großes verheißende Geheimnis"
Guardini fährt damit fort, dass es nur wenige Erwachsene gibt, die auf einer höheren Ebene einen ähnlich großen Einfluss auf ihre Umwelt ausüben. Einer von ihnen war der heilige Franziskus. In solchen Persönlichkeiten wird deutlich, was der heilige Paulus im Brief an die Römer meinte.
„Diese Herrlichkeit der Kinder Gottes hat angefangen, in Franziskus und um ihn her offenbar zu werden. In seiner Nähe hat die Welt begonnen, selig zu werden. In seinen Augen und in seinem Herzen und in seinen Händen haben die Dinge begonnen, anders zu werden, als sonst ... Das ist ein großes verheißendes Geheimnis“ (ebd., S. 80).
Zusammenfassung
Guardini schrieb bereits 1916: "Dieses "Band der Gnade" gibt allein den Menschen die sittliche Kraft, das Wesensziel der Gemeinschaft zu verwirklichen, wirklich ein lebendiges "Spurbild" der Hochheiligen Dreieinigkeit zu werden. So kommt ihm aus der Trinität nicht nur das Vorbild des Gemeinschaftslebens, sondern auch die Kraft, es zu erreichen" (Wurzeln eines großen Lebenswerks - Band 1, 2000, S. 53).
Dies gilt jedoch nicht nur für das Verhältnis zwischen Person und Gemeinschaft, sondern für alle Begegnungen zwischen Menschen und anderen Wesen, ob mit dem Sinn, die Wahrheit zu erkennen oder die Wahrhaftigkeit zu verwirklichen. In seinen Ethikvorlesungen in den 1950er Jahren fügte Guardini hinzu: "Erkennen bedeutet, daß im Geist des Menschen der Sinn des Seins offenbar wird. Das heißt aber, daß an ihm, an dieser ihm zugewiesenen Stelle der Geschichte sich der Sinn der Welt erfüllt. Daß hier recht eigentlich erst Welt wird. […] Die eigentliche Welt geht aus der Begegnung zwischen mir und dem Vorhandenen hervor: in unserem Fall aus jener Begegnungsform, die Erkenntnis heißt. Darin wird die bloß vorhandene Welt zur erkannten und gewinnt so ihre endgültige Dimension. Dadurch erfüllt […], der Mensch den göttlichen Auftrag, immerfort die Welt zu vollenden, und darin "Bild und Gleichnis" des Schöpfers zu werden“ (Guardini, Ethik, 1993, S. 736 f.).