Vorlage:Zeitgeschehen und Gedenken 2025: Unterschied zwischen den Versionen
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Am 22. Dezember hatte ich das Überschreiten der 15000 Titel in der Sekundärbibliographie vermeldet. Am 22. Juni 2025 | [[Bild:Cover.jpg|200px|right|Cover]] | ||
Eine kleine von mir herausgegebene '''Guardini-Anthologie''' unter dem Titel '''"Romano Guardinis Lob der heiligen Einsamkeit. Auf dem Weg zur Fülle in sich selbst"''' ist seit Ende August über den Buchhandel oder den Verlag direkt bestell- und lieferbar - | |||
https://eos-verlag.de/romano-guardinis-lob-der-einsamkeit/ | |||
In meiner Einführung heißt es dazu: "Der Weg zur „Fülle in sich selbst“ kann nur gelingen, wenn er in der notwendigen inneren Einsamkeit vollzogen wird. Menschen, die sich angesichts von vielfachem unfreiwilligem Alleinsein nach Gemeinschaft sehnen, vergessen nicht selten, dass keine Gemeinschaft und Gemeinsamkeit in der Welt diesen Weg der Selbstfindung entdecken und entfalten kann, sondern nur die jeweilige Person selbst, wenn sie sich auf den Weg der inneren Einsamkeit begibt. Es gibt wenige geistliche Meister, die dies so klar beschreiben wie Romano Guardini über den gesamten Zeitraum seines schriftstellerischen Schaffens und Wirkens hinweg." | |||
In dieser Anthologie ist auch der ursprünglich zu den Heiligen Zeichen gehörende Text über die "[[Von_Heiligen_Zeichen#Der_Text_über_die_Einsamkeit|Einsamkeit (1923)]]" aufgenommen, der bei der Umstellung von der Heft- auf die Buchform 1927 verlorengegangen war. Das Buch ist ausgestattet mit Fotografien von [[Max Oberdorfer]] und Kunstwerken zum Thema Einsamkeit (Böcklin, Fugel, Munch bzw. Rodin, Barlach, Caspar, Klee, Doré, Chagall, Rembrandt und Grünewald) deren Künstler auch einen biographischen Bezug zu Guardini aufweisen. | |||
=== Die Waage des Daseins === | |||
Am 4. November vor '''80 Jahren''' hielt Romano Guardini bei der ersten Gedenkveranstaltung für die Mitglieder der "Weißen Rose" in München seine Rede '''"[[Die Waage des Daseins]]"'''. 1955 wurde die Rede noch einmal vom Allgemeinen Studentenausschuß der Universität München für alle Studierenden herausgegeben (https://www.universitaetsarchiv.uni-muenchen.de/digitalesarchiv/rektoratsunduniversitatsreden/pdf/254.pdf). Heute ist der Text zugänglich über den Sammelband "[[Freiheit und Verantwortung]] (1997, Topos Taschenbücher 267/705) und zusammen mit anderen Vorträgen der unmittelbaren Nachkriegszeit im Band 47 der Werkausgabe [[1945. Worte zur Neuorientierung]] (2015). | |||
Die Rede endet mit dem zusammenfassenden Satz: '''''"So haben sie für die Freiheit des Geistes und die Ehre des Menschen gekämpft, und ihr Name wird mit diesem Kampf verbunden bleiben. Zuinnerst aber haben sie in der Strahlung des Opfers Christi gelebt, das keiner Begründung vom unmittelbaren Dasein her bedarf, sondern frei aus dem schöpferischen Ursprung der ewigen Liebe hervorgeht."''''' | |||
Die bislang umfangreichste Einordnung des Textes erfolgte im Jahr 2000 bei [[Barbara Schüler]]: „Im Geiste der Gemordeten ..." Die „Weiße Rose" und ihre Wirkung in der Nachkriegszeit (https://dokumen.pub/im-geiste-der-gemordeten-quot-de-weie-rosequot-und-ihre-wirkung-in-der-nachkriegszeit-350676828x.html) im Abschnitt "Romano Guardini als neuer Mentor" (S. 269-282), auch wenn ich ihr Urteil (S. 161) nicht teile, dass die Rede, "ein typisches Beispiel" "für eine Interpretation der Mythisierung und des Opfercharakters der Münchner Aktionen" sei, weil Guardini in ihr "weniger auf die konkreten Personen als auf die tragenden Ideen, die sich nur aus dem christlichen Opferverständnis verstehen ließen, einging" und betont habe, dass daraus und "nicht aus ihrem konkreten Erfolg bzw. ihrem Scheitern ... sich der Sinn dieser Aktion" ergebe. In einer Situation, in der die Vereinbarkeit ihrer Aktion mit dem christlichen Glauben auch unter Katholiken und Protestanten noch höchst umstritten war und nicht wenige das Lebenszeugnis des Kreises als Hochverrat, Dolchstoß und Revolution und somit als "Skandal" werteten, andere hingegen als unvorsichtiges und aussichtsloses Unterfangen, also als "Torheit", ist die Rede vielmehr ein Beispiel, das Lebenszeugnis der hingerichteten Mitglieder, aber auch des viel weiteren Freundeskreises vor allem für die jungen Menschen und insbesondere die Studierenden der Nachkriegsgeneration als Gewissensaufgabe konkret werden zu lassen. Dem christlichen "Opfer" - nicht nur des Lebens - ist zueigen, dass ein Urteil über seinen Erfolg und Scheitern allein Gott zusteht und in der Welt nur zählt, dass es aus lauterem Gewissen um der Liebe und der Wahrheit willen erfolgt ist und zwar unabhängig von der Konfession, dem Grad einer kirchlichen Sozialisierung oder den vorausgegangenen biographischen Entscheidungen. | |||
=== Nächste Zwischenbilanz: 1750 weitere Titel im Laufe von 10 Monaten aufgenommen === | |||
Am 22. Dezember 2024 hatte ich das Überschreiten der 15000 Titel in der Sekundärbibliographie vermeldet. Am 22. Juni 2025 waren es über '''16000 Titel''', zum 1. Oktober waren es 16500 und zum 1. November sind es nun 16750. Die aktuelle Schätzung der Gesamtzahl beläuft sich aufgrund der bisherigen Erfahrungen mittlerweile auf mindestens 18500 Titel am Ende der Arbeiten. Bei der systematischen Aufarbeitung bin ich mittlerweile im Jahr 1962 angelangt. Bei der Beibehaltung des jetzigen Tempos wäre in ein bis eineinhalb Jahren der Grundstock bewerkstelligt. Es bleibt dabei: Ich bin nach wie vor davon überrascht, wie stark sich die internationale Rezeptionsgeschichte Guardinis bereits zu seinen Lebzeiten von der bisherigen Wahrnehmung unterscheidet. Aufgrund seiner breit aufgestellten Themen wird er auch international nicht nur von Theologen und Religionsphilosophen geschätzt, sondern von Vertretern nahezu aller Wissenschaftszweige und dies wie kaum ein anderer Theologe, Philosoph oder Literaturwissenschaftler seiner Zeit. Über die Sekundärbibliographie kommen immer auch mal noch Funde für die Primärbibliographie zum Vorschein wie zuletzt: [[Brief an Lucio Caruso vom 18. September 1963]] in Sachen Evangeliums-Verfilmung durch Pier Paolo Pasolini, der bereits 1964 veröffentlicht wurde. Und auch, dass 2015 ein [[Brief an Manfred Hörhammer (1931)]] veröffentlicht wurde, wurde von der Guardini-Forschung bislang übersehen. | |||
=== Der hl. John Henry Kardinal Newman wird Kirchenlehrer === | |||
Die '''feierliche Erhebung des hl. John Henry Kardinal Newman zum Kirchenlehrer fand am 1. November 2025''' im Rahmen der Heilig-Jahr-Feier der Bildungswelt statt - Video des Gottesdientes: https://www.youtube.com/watch?v=7yTQLP6SSJw und Text der Homilie: https://www.vatican.va/content/leo-xiv/de/homilies/2025/documents/20251101-messa-giubileo-formatori.html. Papst Leo XIV. hatte den Termin der Erhebung am 28. September während des Angelus bekanntgegeben - https://www.vatican.va/content/leo-xiv/de/angelus/2025/documents/20250928-angelus.html. Bereits am 31. Juli hatte der Vatikan gemeldet, dass Newman Kirchenlehrer wird - https://www.vaticannews.va/de/vatikan/news/2025-07/vatikan-kardinal-newman-wird-kirchenlehrer.html. Guardini gilt als einer der wichtigsten Wegbereiter der weltanschaulichen, religionsphilosophischen und ethischen Anschauungen von '''[[John Henry Newman]]''' in Deutschland. Besonders der Gedanke der '''"[[Christliche Verwirklichung|Christlichen Verwirklichung]]"''' (christian realizing) ist beiden gemeinsam. Über die nähere Verbindung zwischen Guardini und Newman entsteht eine Dokumentation unter dem Titel: '''[[Romano Guardini und John Henry Kardinal Newmans „Theologie des Einzelnen in der Kirche”]]''' | |||
=== Trient: Cattedra Guardini 2025 und neues Video === | |||
Zum achten Mal findet in Trient am ISSR die '''[[Cattedra Guardini]]''' statt (https://www.diocesitn.it/issr/cattedra-guardini/). In der Regel handelt es sich dabei: | |||
* um einen öffentlichen Vortrag - in diesem Jahr am 20. Oktober von '''[[Pasquale Bua]] über "Guardini nella svolta ecclesiologica del Novecento"''', der auch virtuell live übertragen wird unter: https://www.youtube.com/c/DiocesidiTrentoServizioComunicazione -; | |||
* weiter um ein nicht öffentliches Seminar desselben Referenten für Lehrende und Doktoranden am Folgetag - in dies Jahr zum Thema "Comunità, modernità, autorità: temi interdisciplinari in Romano Guardini a partire dalla sua ecclesiologia". | |||
Im zeitlichen Umfeld erschien in den letzten Jahren zusätzlich ein Video, in dem etwas Biographisches oder ein Fachbezug Guardinis durch einen Trienter Lehrenden vorgestellt wird - in diesem Jahr: '''"Romano Guardini e la Filosofia" durch [[Francesco Ghia]]''' - https://www.youtube.com/watch?v=qnS-p1JXZGE. | |||
[[Pasquale Bua]] gab kürzlich ein Interview mit Giuseppe Di Leo vom Radio Radicale über den von ihm herausgegebenen Band der Opera Omnia über die ekklesiologischen Schriften Guardinis ([[Opera omnia, vol. XI: Ecclesiologia]]) - https://www.radioradicale.it/scheda/771376/intervista-a-pasquale-bua-sullopera-di-romano-guardini-ecclesiologia-morcelliana. | |||
=== Der Indie-Gitarrist und katholische Philosoph Peter Berkman über Musik, Digitalisierung und Guardinis Bedeutung für heute === | |||
'''[[Peter Berkman]]''' hat es wieder getan. Er führt ein eineinhalbstündiges Interviewgespräch mit Marc Barnes zum Thema '''"Digital World: The Medium is the Message"''' - | |||
https://www.youtube.com/watch?v=R1SOPnjcevQ (ab der 39. Minute direkt zu Guardini) und macht sich dabei in mitreißender Weise zum Botschafter von Guardinis Werk für heute. In der Youtube-Zusammenfassung heißt es: "Technology has given an untrained humanity unprecedented power over itself. '''Peter Berkman, following Marshall McLuhan and Romano Guardini''', argues that the "digital world" has rapidly replaced other modes of human interaction, and AI presents a rapid acceleration of that movement. In this podcast, Marc Barnes and Peter Berkman discuss this development and the Christian response." Auch auf seine früheren Interviews sei hier noch einmal verwiesen: | |||
* '''Introduction to Romano Guardini’s Thought: the Living-Concrete & Eight Oppositions''', 09. August 2021 - https://www.youtube.com/watch?v=0NatE-Egv2A | |||
* Gespräch zwischen Peter Berkman und [[Karen Wong]]: '''Romano Guardini: Confusing Oppositions with Contradictions Leads to the end of Western Civilization''', 24. November 2023 - https://www.youtube.com/watch?v=LGJHC8JTKts | |||
=== Morcelliana geht voran: Il Dio della vita === | |||
Erneut hat die Morcelliana, herausgegeben durch [[Giulio Osto]] in den Opere di Romano Guardini - Nuova Serie, Texte Guardinis in italienischer Übersetzung veröffentlicht, die im deutschen Original noch nicht in der Werkausgabe vorliegen. Es handelt sich um ein Buch, das Guardini in den Jahren 1943/44 zusammengestellt hat und dessen Titel ähnlich wie das 1930 erschienene [[Vom lebendigen Gott]] heißen sollte. Dies nahm Giulio Osto nun zum Anlass die Texte auch unter dem Titel '''[[Il Dio della vita]]''' zu veröffentlichen. Er griff dabei vor allem auf die Nr. 1578 des Guardini-Archivs in der Katholischen Akademie in Bayern zurück. Das Inhaltverzeichnis ist online einsehbar unter: [https://www.morcelliana.net/img/cms/Materiali%20promozionali/Sommario%20Guardini,%20Il%20Dio%20della%20vita.pdf Sommario (pdf-Datei)] | |||
=== 10 Jahre "Laudato si" und 75 Jahre "Das Ende der Neuzeit" (24. Mai 2025) === | === 10 Jahre "Laudato si" und 75 Jahre "Das Ende der Neuzeit" (24. Mai 2025) === | ||
Vor zehn Jahren veröffentlichte [[Papst Franziskus]] seine Umwelt- und Sozialenzyklika "[[Laudato si]]". Darin nimmt er direkten Bezug auf Romano Guardinis Buch "[[Das Ende der Neuzeit]]", das 1950, also vor nunmehr 75 Jahren erschienen ist. Nachdem es zeitgenössisch stark diskutiert, von den sechziger Jahren von regressiven und progressiven Kräften gleichermaßen einseitig - die einen scheinbar zustimmend, die anderen ablehnend - in eine konservativ-kulturkritische Ecke gestellt wurde, gilt es nunmehr und mehr denn je als eine prophetische Schrift, in der trotz aller enthaltener Neuzeit- und Technikkritik die Neuzeit und die Technik als solche nicht in Frage gestellt, sondern bejaht | Vor zehn Jahren veröffentlichte [[Papst Franziskus]] seine Umwelt- und Sozialenzyklika "[[Laudato si]]". Darin nimmt er direkten Bezug auf Romano Guardinis Buch "[[Das Ende der Neuzeit]]", das 1950, also vor nunmehr 75 Jahren erschienen ist. Nachdem es zeitgenössisch stark diskutiert, von den sechziger Jahren von regressiven und progressiven Kräften gleichermaßen einseitig - die einen scheinbar zustimmend, die anderen ablehnend - in eine konservativ-kulturkritische Ecke gestellt wurde, gilt es nunmehr und mehr denn je als eine prophetische Schrift, in der trotz aller enthaltener Neuzeit- und Technikkritik die Neuzeit und die Technik als solche nicht in Frage gestellt, sondern bejaht werden. Der Mensch der Nach-Neuzeit braucht vor allem ein neues "Ethos der Macht", um wieder neu und stärker als früher "die Macht über die Macht" zu gewinnen, damit auch die heutige Technik zum Wohle des Menschen und der Schöpfung eingesetzt wird und nicht zu ihrem Schaden. | ||
Im Sinne eines besseren Verständnisses des Theorems vom "Ende der Neuzeit" kann nicht entschieden genug darauf hingewiesen werden, dass Guardini dieses Ende zur Jahrhundertwende "um 1900" ansetzt und nicht erst "nach 1945". Es ist bereits in seinem anonymen Rezensionsaufsatz "[[Das Interesse der deutschen Bildung an der Kultur der Renaissance]]" (1911) enthalten. Guardini spricht in diesem Aufsatz von der Aufgabe, ein neues "Mittelalter" zu schaffen, nicht durch ein Zurück zum vergangenen, sondern durch ein Vorwärts zu "unserem Mittelalter". Guardini positioniert sich somit sehr früh gegen eine bloße Mittelalter-Nostalgie, wohl aber auch für eine Überwindung der zersetzten "neuzeitlichen" Kultur | Im Sinne eines besseren Verständnisses des Theorems vom "Ende der Neuzeit" kann nicht entschieden genug darauf hingewiesen werden, dass Guardini dieses Ende zur Jahrhundertwende "um 1900" ansetzt und nicht erst "nach 1945". Es ist bereits in seinem anonymen Rezensionsaufsatz "[[Das Interesse der deutschen Bildung an der Kultur der Renaissance]]" (1911) enthalten. Guardini spricht in diesem Aufsatz von der Aufgabe, ein neues "Mittelalter" zu schaffen, nicht durch ein Zurück zum vergangenen, sondern durch ein Vorwärts zu "unserem Mittelalter". Guardini positioniert sich somit sehr früh gegen eine bloße Mittelalter-Nostalgie, wohl aber auch für eine Überwindung der zersetzten "neuzeitlichen" Kultur (S. 11: ''"Wie aus der zersetzten hellenistisch-römischen Kultur, durch den Eintritt des Christentums und Germanentums das Mittelalter wurde, das Schauspiel, scheint mir, könnte uns Weisheit lehren, denn unsere Aufgabe ist, ein neues »Mittelalter« zu schaffen. Das braucht niemanden zu erschrecken; nicht zurück zum vergangenen, sondern vorwärts zu »unserem Mittelalter« solls gehen."''). | ||
=== Papst Leo XIV. wurde am 8. Mai 2025 gewählt === | === Papst Leo XIV. wurde am 8. Mai 2025 gewählt === | ||
Habemus Papam: Mit Kardinal '''Robert Francis Prevost OSA''' (* 1955), der sich als Papst den Namen '''Leo XIV.''' gibt, wurde erstmals seit Pius XI. (und mit Ausnahme des kurzen Pontifikats von [[Papst Johannes Paul I.]]) ein Papst gewählt, der keine persönliche Beziehung oder Verbindung zu Guardini oder seinem Werk hat. Anders als bei [[Papst Pius XII.]], [[Papst Johannes XXIII.]], [[Papst Paul VI.]], [[Papst Johannes Paul II.]], [[Papst Benedikt XVI.]] und [[Papst Franziskus]] hat sich Leo XIV. bislang nicht öffentlich mit Romano Guardini auseinandergesetzt oder auf ihn Bezug genommen. Allerdings sind viele Bereiche seines Wirkens als Augustiner, in Peru und in Rom noch nicht bekannt genug. Denn sowohl über Guardinis Werk [[Die Bekehrung des Aurelius Augustinus | Habemus Papam: Mit Kardinal '''Robert Francis Prevost OSA''' (* 1955), der sich als Papst den Namen '''Leo XIV.''' gibt, wurde erstmals seit Pius XI. (und mit Ausnahme des kurzen Pontifikats von [[Papst Johannes Paul I.]]) ein Papst gewählt, der keine persönliche Beziehung oder Verbindung zu Guardini oder seinem Werk hat. Anders als bei [[Papst Pius XII.]], [[Papst Johannes XXIII.]], [[Papst Paul VI.]], [[Papst Johannes Paul II.]], [[Papst Benedikt XVI.]] und [[Papst Franziskus]] hat sich Leo XIV. bislang nicht öffentlich mit Romano Guardini auseinandergesetzt oder auf ihn Bezug genommen. Allerdings sind viele Bereiche seines Wirkens als Augustiner, in Peru und in Rom noch nicht bekannt genug. Denn sowohl über Guardinis Werk [[Die Bekehrung des Aurelius Augustinus]] als auch über Guardini-Kenner aus Peru (z.B. [[Ricardo Gibu]]) und aus dem Augustinerorden (z.B. [[Prosper Grech]] OSA [1925-2019]) könnten sich noch Bezüge herausstellen. Siehe auch: [[Liste der Päpste]] und [[Romano Guardini und Wilhelm Emmanuel von Ketteler]] | ||
Aktuelle Version vom 12. November 2025, 15:07 Uhr
Romano Guardinis Lob der heiligen Einsamkeit
Eine kleine von mir herausgegebene Guardini-Anthologie unter dem Titel "Romano Guardinis Lob der heiligen Einsamkeit. Auf dem Weg zur Fülle in sich selbst" ist seit Ende August über den Buchhandel oder den Verlag direkt bestell- und lieferbar - https://eos-verlag.de/romano-guardinis-lob-der-einsamkeit/ In meiner Einführung heißt es dazu: "Der Weg zur „Fülle in sich selbst“ kann nur gelingen, wenn er in der notwendigen inneren Einsamkeit vollzogen wird. Menschen, die sich angesichts von vielfachem unfreiwilligem Alleinsein nach Gemeinschaft sehnen, vergessen nicht selten, dass keine Gemeinschaft und Gemeinsamkeit in der Welt diesen Weg der Selbstfindung entdecken und entfalten kann, sondern nur die jeweilige Person selbst, wenn sie sich auf den Weg der inneren Einsamkeit begibt. Es gibt wenige geistliche Meister, die dies so klar beschreiben wie Romano Guardini über den gesamten Zeitraum seines schriftstellerischen Schaffens und Wirkens hinweg."
In dieser Anthologie ist auch der ursprünglich zu den Heiligen Zeichen gehörende Text über die "Einsamkeit (1923)" aufgenommen, der bei der Umstellung von der Heft- auf die Buchform 1927 verlorengegangen war. Das Buch ist ausgestattet mit Fotografien von Max Oberdorfer und Kunstwerken zum Thema Einsamkeit (Böcklin, Fugel, Munch bzw. Rodin, Barlach, Caspar, Klee, Doré, Chagall, Rembrandt und Grünewald) deren Künstler auch einen biographischen Bezug zu Guardini aufweisen.
Die Waage des Daseins
Am 4. November vor 80 Jahren hielt Romano Guardini bei der ersten Gedenkveranstaltung für die Mitglieder der "Weißen Rose" in München seine Rede "Die Waage des Daseins". 1955 wurde die Rede noch einmal vom Allgemeinen Studentenausschuß der Universität München für alle Studierenden herausgegeben (https://www.universitaetsarchiv.uni-muenchen.de/digitalesarchiv/rektoratsunduniversitatsreden/pdf/254.pdf). Heute ist der Text zugänglich über den Sammelband "Freiheit und Verantwortung (1997, Topos Taschenbücher 267/705) und zusammen mit anderen Vorträgen der unmittelbaren Nachkriegszeit im Band 47 der Werkausgabe 1945. Worte zur Neuorientierung (2015).
Die Rede endet mit dem zusammenfassenden Satz: "So haben sie für die Freiheit des Geistes und die Ehre des Menschen gekämpft, und ihr Name wird mit diesem Kampf verbunden bleiben. Zuinnerst aber haben sie in der Strahlung des Opfers Christi gelebt, das keiner Begründung vom unmittelbaren Dasein her bedarf, sondern frei aus dem schöpferischen Ursprung der ewigen Liebe hervorgeht."
Die bislang umfangreichste Einordnung des Textes erfolgte im Jahr 2000 bei Barbara Schüler: „Im Geiste der Gemordeten ..." Die „Weiße Rose" und ihre Wirkung in der Nachkriegszeit (https://dokumen.pub/im-geiste-der-gemordeten-quot-de-weie-rosequot-und-ihre-wirkung-in-der-nachkriegszeit-350676828x.html) im Abschnitt "Romano Guardini als neuer Mentor" (S. 269-282), auch wenn ich ihr Urteil (S. 161) nicht teile, dass die Rede, "ein typisches Beispiel" "für eine Interpretation der Mythisierung und des Opfercharakters der Münchner Aktionen" sei, weil Guardini in ihr "weniger auf die konkreten Personen als auf die tragenden Ideen, die sich nur aus dem christlichen Opferverständnis verstehen ließen, einging" und betont habe, dass daraus und "nicht aus ihrem konkreten Erfolg bzw. ihrem Scheitern ... sich der Sinn dieser Aktion" ergebe. In einer Situation, in der die Vereinbarkeit ihrer Aktion mit dem christlichen Glauben auch unter Katholiken und Protestanten noch höchst umstritten war und nicht wenige das Lebenszeugnis des Kreises als Hochverrat, Dolchstoß und Revolution und somit als "Skandal" werteten, andere hingegen als unvorsichtiges und aussichtsloses Unterfangen, also als "Torheit", ist die Rede vielmehr ein Beispiel, das Lebenszeugnis der hingerichteten Mitglieder, aber auch des viel weiteren Freundeskreises vor allem für die jungen Menschen und insbesondere die Studierenden der Nachkriegsgeneration als Gewissensaufgabe konkret werden zu lassen. Dem christlichen "Opfer" - nicht nur des Lebens - ist zueigen, dass ein Urteil über seinen Erfolg und Scheitern allein Gott zusteht und in der Welt nur zählt, dass es aus lauterem Gewissen um der Liebe und der Wahrheit willen erfolgt ist und zwar unabhängig von der Konfession, dem Grad einer kirchlichen Sozialisierung oder den vorausgegangenen biographischen Entscheidungen.
Nächste Zwischenbilanz: 1750 weitere Titel im Laufe von 10 Monaten aufgenommen
Am 22. Dezember 2024 hatte ich das Überschreiten der 15000 Titel in der Sekundärbibliographie vermeldet. Am 22. Juni 2025 waren es über 16000 Titel, zum 1. Oktober waren es 16500 und zum 1. November sind es nun 16750. Die aktuelle Schätzung der Gesamtzahl beläuft sich aufgrund der bisherigen Erfahrungen mittlerweile auf mindestens 18500 Titel am Ende der Arbeiten. Bei der systematischen Aufarbeitung bin ich mittlerweile im Jahr 1962 angelangt. Bei der Beibehaltung des jetzigen Tempos wäre in ein bis eineinhalb Jahren der Grundstock bewerkstelligt. Es bleibt dabei: Ich bin nach wie vor davon überrascht, wie stark sich die internationale Rezeptionsgeschichte Guardinis bereits zu seinen Lebzeiten von der bisherigen Wahrnehmung unterscheidet. Aufgrund seiner breit aufgestellten Themen wird er auch international nicht nur von Theologen und Religionsphilosophen geschätzt, sondern von Vertretern nahezu aller Wissenschaftszweige und dies wie kaum ein anderer Theologe, Philosoph oder Literaturwissenschaftler seiner Zeit. Über die Sekundärbibliographie kommen immer auch mal noch Funde für die Primärbibliographie zum Vorschein wie zuletzt: Brief an Lucio Caruso vom 18. September 1963 in Sachen Evangeliums-Verfilmung durch Pier Paolo Pasolini, der bereits 1964 veröffentlicht wurde. Und auch, dass 2015 ein Brief an Manfred Hörhammer (1931) veröffentlicht wurde, wurde von der Guardini-Forschung bislang übersehen.
Der hl. John Henry Kardinal Newman wird Kirchenlehrer
Die feierliche Erhebung des hl. John Henry Kardinal Newman zum Kirchenlehrer fand am 1. November 2025 im Rahmen der Heilig-Jahr-Feier der Bildungswelt statt - Video des Gottesdientes: https://www.youtube.com/watch?v=7yTQLP6SSJw und Text der Homilie: https://www.vatican.va/content/leo-xiv/de/homilies/2025/documents/20251101-messa-giubileo-formatori.html. Papst Leo XIV. hatte den Termin der Erhebung am 28. September während des Angelus bekanntgegeben - https://www.vatican.va/content/leo-xiv/de/angelus/2025/documents/20250928-angelus.html. Bereits am 31. Juli hatte der Vatikan gemeldet, dass Newman Kirchenlehrer wird - https://www.vaticannews.va/de/vatikan/news/2025-07/vatikan-kardinal-newman-wird-kirchenlehrer.html. Guardini gilt als einer der wichtigsten Wegbereiter der weltanschaulichen, religionsphilosophischen und ethischen Anschauungen von John Henry Newman in Deutschland. Besonders der Gedanke der "Christlichen Verwirklichung" (christian realizing) ist beiden gemeinsam. Über die nähere Verbindung zwischen Guardini und Newman entsteht eine Dokumentation unter dem Titel: Romano Guardini und John Henry Kardinal Newmans „Theologie des Einzelnen in der Kirche”
Trient: Cattedra Guardini 2025 und neues Video
Zum achten Mal findet in Trient am ISSR die Cattedra Guardini statt (https://www.diocesitn.it/issr/cattedra-guardini/). In der Regel handelt es sich dabei:
- um einen öffentlichen Vortrag - in diesem Jahr am 20. Oktober von Pasquale Bua über "Guardini nella svolta ecclesiologica del Novecento", der auch virtuell live übertragen wird unter: https://www.youtube.com/c/DiocesidiTrentoServizioComunicazione -;
- weiter um ein nicht öffentliches Seminar desselben Referenten für Lehrende und Doktoranden am Folgetag - in dies Jahr zum Thema "Comunità, modernità, autorità: temi interdisciplinari in Romano Guardini a partire dalla sua ecclesiologia".
Im zeitlichen Umfeld erschien in den letzten Jahren zusätzlich ein Video, in dem etwas Biographisches oder ein Fachbezug Guardinis durch einen Trienter Lehrenden vorgestellt wird - in diesem Jahr: "Romano Guardini e la Filosofia" durch Francesco Ghia - https://www.youtube.com/watch?v=qnS-p1JXZGE.
Pasquale Bua gab kürzlich ein Interview mit Giuseppe Di Leo vom Radio Radicale über den von ihm herausgegebenen Band der Opera Omnia über die ekklesiologischen Schriften Guardinis (Opera omnia, vol. XI: Ecclesiologia) - https://www.radioradicale.it/scheda/771376/intervista-a-pasquale-bua-sullopera-di-romano-guardini-ecclesiologia-morcelliana.
Der Indie-Gitarrist und katholische Philosoph Peter Berkman über Musik, Digitalisierung und Guardinis Bedeutung für heute
Peter Berkman hat es wieder getan. Er führt ein eineinhalbstündiges Interviewgespräch mit Marc Barnes zum Thema "Digital World: The Medium is the Message" - https://www.youtube.com/watch?v=R1SOPnjcevQ (ab der 39. Minute direkt zu Guardini) und macht sich dabei in mitreißender Weise zum Botschafter von Guardinis Werk für heute. In der Youtube-Zusammenfassung heißt es: "Technology has given an untrained humanity unprecedented power over itself. Peter Berkman, following Marshall McLuhan and Romano Guardini, argues that the "digital world" has rapidly replaced other modes of human interaction, and AI presents a rapid acceleration of that movement. In this podcast, Marc Barnes and Peter Berkman discuss this development and the Christian response." Auch auf seine früheren Interviews sei hier noch einmal verwiesen:
- Introduction to Romano Guardini’s Thought: the Living-Concrete & Eight Oppositions, 09. August 2021 - https://www.youtube.com/watch?v=0NatE-Egv2A
- Gespräch zwischen Peter Berkman und Karen Wong: Romano Guardini: Confusing Oppositions with Contradictions Leads to the end of Western Civilization, 24. November 2023 - https://www.youtube.com/watch?v=LGJHC8JTKts
Morcelliana geht voran: Il Dio della vita
Erneut hat die Morcelliana, herausgegeben durch Giulio Osto in den Opere di Romano Guardini - Nuova Serie, Texte Guardinis in italienischer Übersetzung veröffentlicht, die im deutschen Original noch nicht in der Werkausgabe vorliegen. Es handelt sich um ein Buch, das Guardini in den Jahren 1943/44 zusammengestellt hat und dessen Titel ähnlich wie das 1930 erschienene Vom lebendigen Gott heißen sollte. Dies nahm Giulio Osto nun zum Anlass die Texte auch unter dem Titel Il Dio della vita zu veröffentlichen. Er griff dabei vor allem auf die Nr. 1578 des Guardini-Archivs in der Katholischen Akademie in Bayern zurück. Das Inhaltverzeichnis ist online einsehbar unter: Sommario (pdf-Datei)
10 Jahre "Laudato si" und 75 Jahre "Das Ende der Neuzeit" (24. Mai 2025)
Vor zehn Jahren veröffentlichte Papst Franziskus seine Umwelt- und Sozialenzyklika "Laudato si". Darin nimmt er direkten Bezug auf Romano Guardinis Buch "Das Ende der Neuzeit", das 1950, also vor nunmehr 75 Jahren erschienen ist. Nachdem es zeitgenössisch stark diskutiert, von den sechziger Jahren von regressiven und progressiven Kräften gleichermaßen einseitig - die einen scheinbar zustimmend, die anderen ablehnend - in eine konservativ-kulturkritische Ecke gestellt wurde, gilt es nunmehr und mehr denn je als eine prophetische Schrift, in der trotz aller enthaltener Neuzeit- und Technikkritik die Neuzeit und die Technik als solche nicht in Frage gestellt, sondern bejaht werden. Der Mensch der Nach-Neuzeit braucht vor allem ein neues "Ethos der Macht", um wieder neu und stärker als früher "die Macht über die Macht" zu gewinnen, damit auch die heutige Technik zum Wohle des Menschen und der Schöpfung eingesetzt wird und nicht zu ihrem Schaden.
Im Sinne eines besseren Verständnisses des Theorems vom "Ende der Neuzeit" kann nicht entschieden genug darauf hingewiesen werden, dass Guardini dieses Ende zur Jahrhundertwende "um 1900" ansetzt und nicht erst "nach 1945". Es ist bereits in seinem anonymen Rezensionsaufsatz "Das Interesse der deutschen Bildung an der Kultur der Renaissance" (1911) enthalten. Guardini spricht in diesem Aufsatz von der Aufgabe, ein neues "Mittelalter" zu schaffen, nicht durch ein Zurück zum vergangenen, sondern durch ein Vorwärts zu "unserem Mittelalter". Guardini positioniert sich somit sehr früh gegen eine bloße Mittelalter-Nostalgie, wohl aber auch für eine Überwindung der zersetzten "neuzeitlichen" Kultur (S. 11: "Wie aus der zersetzten hellenistisch-römischen Kultur, durch den Eintritt des Christentums und Germanentums das Mittelalter wurde, das Schauspiel, scheint mir, könnte uns Weisheit lehren, denn unsere Aufgabe ist, ein neues »Mittelalter« zu schaffen. Das braucht niemanden zu erschrecken; nicht zurück zum vergangenen, sondern vorwärts zu »unserem Mittelalter« solls gehen.").
Papst Leo XIV. wurde am 8. Mai 2025 gewählt
Habemus Papam: Mit Kardinal Robert Francis Prevost OSA (* 1955), der sich als Papst den Namen Leo XIV. gibt, wurde erstmals seit Pius XI. (und mit Ausnahme des kurzen Pontifikats von Papst Johannes Paul I.) ein Papst gewählt, der keine persönliche Beziehung oder Verbindung zu Guardini oder seinem Werk hat. Anders als bei Papst Pius XII., Papst Johannes XXIII., Papst Paul VI., Papst Johannes Paul II., Papst Benedikt XVI. und Papst Franziskus hat sich Leo XIV. bislang nicht öffentlich mit Romano Guardini auseinandergesetzt oder auf ihn Bezug genommen. Allerdings sind viele Bereiche seines Wirkens als Augustiner, in Peru und in Rom noch nicht bekannt genug. Denn sowohl über Guardinis Werk Die Bekehrung des Aurelius Augustinus als auch über Guardini-Kenner aus Peru (z.B. Ricardo Gibu) und aus dem Augustinerorden (z.B. Prosper Grech OSA [1925-2019]) könnten sich noch Bezüge herausstellen. Siehe auch: Liste der Päpste und Romano Guardini und Wilhelm Emmanuel von Ketteler