Guardini und die Machtergreifung: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Romano-Guardini-Handbuch
 
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== Das Scheitern der Illusionen (Januar 1933) ==
Am 4. Januar 1933 kam es in Köln zum Treffen zwischen von Papen und Hitler im Hause des Bankiers Schröder (Vgl. Joachim Petzold: Franz von Papen. Ein deutsches Verhängnis, München/Berlin 1995, S. 143), die der Historiker Karl Dietrich Bracher einmal als die „Geburtsstunde des Dritten Reiches“ bezeichnet hatte, weil sich die beiden hierbei auf die Reichskanzlerschaft Hitlers einigten (Karl Dietrich Bracher: Die Auflösung der Weimarer Republik. Eine Studie zum Problem des Machtverfalls, Stuttgart/Düsseldorf 1955). An diesem Tag verhandelte also von Papen hinter dem Rücken von Schleichers im Auftrag Hindenburgs mit Hitler über dessen Berufung zum Reichskanzler. Die wurde aber durch eine Indiskretion bereits am Tag darauf öffentlich.
Die Bitte von Schleichers, den Reichstag ohne die Ausschreibung von Neuwahlen innerhalb der nächsten zwei Monate aufzulösen, lehnte Hindenburg dagegen ab. Auch der Vorstand der Zentrumsfraktion sprach sich am 20. Januar 1933 gegen diesen Plan aus.
Vom 20. Januar 1933 an verdichteten sich die Gerüchte, daß die Stellung des Reichskanzlers von Schleicher erschüttert sei, weil ihm der Reichspräsident von Hindenburg unter Einfluß Papens, Hugenbergscher Hinterleute und des Sohnes Hindenburg sein Vertrauen entziehen wolle. Es wurde von einem Kabinett Papen-Hugenberg mit nationalsozialistischer Beteiligung geredet (Kunrat von Hammerstein-Equord: Spähtrupp, 1963, S. 36, zuvor in: Frankfurter Hefte, 11, 1956, S. 122).
Am 22. Januar 1933 besuchte Planck seinen früheren Mentor Brüning im Krankenhaus und holte sich vermutlich Rat angesichts der ziemlich hoffnungslosen Lage.
Für die Regierung ergaben sich Schwierigkeiten, weil Hindenburg fürchtete, die Nationalsozialisten würden ihre Drohung wahrmachen und Anklage – gemäß Artikel 59 der Reichsverfassung – wegen verfassungswidrigen Verhaltens am 20. Juli 1932 bei der Absetzung der (sozialdemokratischen) preußischen Regierung erheben (Pufendorf, a.a.O., S. 307. Kunrat von Hammerstein-Equord: Spähtrupp, 1963, S. 37, zuvor in: Frankfurter Hefte, 11, 1956, S. 122; Irene Strenge: Machtübernahme 1933. Alles auf legalem Weg?, 2002, S. 99). 
Von Papen hatte inzwischen den Nuntius Orsenigo aufgesucht mit der Bitte, ihm eine Brücke zum Zentrum zu bauen, was dieser jedoch ablehnte (Rudolf Morsey: Der Untergang des politischen Katholizismus, Stuttgart/Zürich 1977, S.84). 
Am 26. Januar 1933 bestätigte die Reichstagsfraktion des Zentrums die Entscheidung vom 20. Januar 1933 gegen eine Auflösung des Reichstags geschlossen.
Zwei Tage später, am 28. Januar 1933, schrieb daher der Zentrumsvorsitzende, Prälat Ludwig Kaas - mit Unterstützung Heinrich Brünings und Joseph Wirths - in einem offenen, in der Berliner Zeitung “Germania” und der “Kölnischen Volkszeitung” veröffentlichten und noch am selben Tag dem Reichspräsidenten zugestellten Brief an Reichskanzler von Schleicher, in dem er gegen die „notstandrechtliche Verschiebung des Wahltermins“ sowie “gegen die das gesamte Staatsrecht relativierenden Grundtendenzen von Carl Schmitt und seinen Gefolgsmännern” protestierte und stattdessen eine sofortige Ansetzung der Wahl forderte (Zitiert nach Heinrich August Winkler: Weimar 1918-1933. Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie, München 1998, S. 82).
Ebenfalls an diesem 28. Januar hatte von Schleicher letztendlich die Fortsetzung der Regierung mit diktatorischen Mitteln gefordert, was Hindenburg jedoch abermals verweigerte und stattdessen von Schleicher postwendend entließ.
Weitere zwei Tage später, am 30. Januar 1933 verteidigte sich Schmitt in einem Brief an Kaas für sein bisheriges Vorgehen in der gesamten Auseinandersetzung: “Ich relativiere nicht das Staatsrecht, sondern kämpfe gegen einen Staat und Verfassung zerstörenden Missbrauch, gegen die Instrumentalisierung des Legalitätsbegriffes und gegen einen wert- und wahrheitsneutralen Funktionalismus” (Zitiert nach Piet Tommissen: Bausteine zu einer wissenschaftlichen Biographie (Periode 1888-1933), in: Helmut Quaritsch (Hrsg): Complexio Oppositorum, Berlin 1988, S. 53; Carl Schmitt: Nachbemerkung zu: ders.: Legalität und Legitimität, 1985, S. 350). Schmitt war der Überzeugung, dass die Haltung des Zentrums, die ihn zum Verfassungsfeind stempelte, Hitler den Zugang zur Macht erst ebnete. Zu diesem Zeitpunkt hätte – so Schmitt - die Beschreibung einer “legalen Revolution”, wonach “eine Partei durch die Tür der Legalität eintritt, um diese Tür dann hinter sich zu schließen” , als Warnung vor Hitler verstanden werden müssen (Carl Schmitt: Nachbemerkung zu `Legalität und Legitimität´, in: Verfassungsrechtliche Aufsätze, Berlin 1958; (2)1973, S. 345). Ausgerechnet an diesem Tag wurde aber eben jener Hitler zum Reichskanzler berufen, die nationalsozialistische Machtergreifung in Deutschland nahm ihren Lauf.
Enttäuscht und in seiner eigenen konservativ-revolutionären Haltung völlig konsequent beantragte Planck bereits am 30. Januar 1933 seine Entlassung, am 14. Juli 1933 wurde er in den Ruhestand versetzt, so dass er „im Unterschied zu vielen anderen Hochkonservativen, darunter auch Glum … nicht mit dem NS-Regime“ selbst kollaborierte (Rüdiger Hachtmann: Wissenschaftsmanagement im „Dritten Reich“. Geschichte der Generalverwaltung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, Bd. 1, Göttingen 2007, S. 118).
Ausgerechnet Glum beschreibt später in seiner Autobiographie Planck als hochkonservativen Intriganten, vermutlich weil er aufgrund der früheren engeren persönlichen Beziehungen von Plancks Vorgehen enttäuscht war.
Glum hatte bereits 1930 über den „geistigen Inhalt der faschistischen Idee“ die Auffassung vertreten, dass diese Idee das Gegenteil des „materialistischen Geistes“ sei, auch das Gegenteil von „Streit und Zank“, insbesondere auch das Gegenstück zu den „Kämpfen politischer Cliquen im Parlamentarismus“. So sei der Faschismus „die modernste und lebensfähigste politische Doktrin“ (Friedrich Glum: Das geheime Deutschland, 1930, S. 9, S. 11f., S. 15 und S. 18). Zu diesem Zeitpunkt war er noch skeptisch, ob der Faschismus auch in Deutschland möglich sei (ebd., S. 21) und plädierte für eine “Aristokratie der demokratischen Gesinnung” (Untertitel des Buches) und eine “Demokratie der Herzen“. Außerdem sprach er sich sich für eine plebiszitäre Präsidialdikdatur, aber gegen jegliche „Parteidiktatur“ ausgesprochen (ebd., S. 70): „Würde heute bei uns ein Mussolini auftreten, wie er ein Staatsmann, der die Nöte der Zeit sieht, und eine plebiszitäre Diktatur begründen, wir würden sicher gut tun, ihm zu folgen. Aber … ich fürchte, das deutsche Volk würde ihm nicht folgen.“ Noch im Herbst 1933 sah Glum in Hitler eine Art deutschen Mussolini, allerdings in der Hoffnung, dass sich „auch die nationalsozialistische Bewegung“ in den „totalen Staat“ einordnen werde (iehe Glum, Die geistige Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, in: Berliner Börsen-Zeitung, 4. Oktober 1933, zitiert nach Wolfgang Schieder: Mythos Mussolini. Deutsche in Audienz beim Duce, 2013, S. 312). Noch am 24. Februar 1936 hielt Glum in Rom über „Die geistigen Grundlagen des Nationalsozialismus und Fascismus“ (vgl. dazu Rüdiger Hachtmann: Wissenschaftsmanage-ment im „Dritten Reich“. Geschichte der Generalverwaltung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, Bd. 1, Göttingen 2007, S. 341f.).
Letztlich ging es dabei wohl bei beiden um unterschiedliche Einschätzungen zu Brüning und ihrem jeweiligen Verhältnis zu ihm. Während Glum von sich selbst sagte, dass er den Kanzler Brüning verehrt habe, habe Planck sich in militärisch-schnodderiger Weise dahingehend geäußert, „daß man die Kanzlerschaft Brünings im Reichswehrministerium als ein Experiment ansehe, das gemacht werden müsse, das man im Nichtbewährungsfalle aber auch durch ein anderes ersetzen könne, etwa in dem Sinne: wenn es dieser nicht schafft, dann müssen wir eben einen anderen suchen“ (Friedrich Glum: Zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Erlebtes u. Erdachtes in 4 Reichen, 1964, S. 396).
Korrekt ist einerseits, dass weder Schleicher noch Planck in der Endphase der Kanzlerschaft Brünings sich als besonders loyal erwiesen hätten und auf andere Optionen setzten. Ähnlich wie Planck sah auch Schleicher schon sehr bald ein, dass er einen Irrweg beschritten hatte. Dagegen ist umgekehrt fraglich, ob Brüning inhaltlich tatsächlich mehr auf der Seite der Glums Ideen von einem weitgehend faschistischen "Geheimen Deutschland" in Form einer plebiszitären Diktatur gestanden hat, wie Glum bei seiner memorialen "Verehrung" Brünings es nahelegt.
Letztlich sind historisch gesehen all jene durchaus christlich und auch katholisch geprägten Versuche gescheitert, die Hitler-Papen-Allianz unter der Schirmherrschaft Hindenburgs zu verhindern, schon früh die von Brüning und seinem Kreis, zu dem als Mentor auch Guardini zu zählen ist, aber dann auch sowohl die von Planck unter Schleicher als auch die von Glum, mit denen beiden Guardini öffentlich über die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft oder privat entweder über die Kempners oder Burg Rothenfels gut bekannt war (siehe jeweils in den Personenartikeln).
== Der Katholizismus und die Machtergreifung ==
== Der Katholizismus und die Machtergreifung ==
Die Hauptprotagonisten der Vorgänge Ende Januar 1933, die gemeinhin als „Machtergreifung“ bezeichnet werden, waren aus katholischer Perspektive - neben den beiden Protestanten, dem Reichspräsidenten Hindenburg und dem Reichskanzler von Schleicher, und dem "Katholiken" und „Machtergreifer“ Hitler - auf Seiten des Zentrums Heinrich Brüning, Ludwig Kaas und Joseph Wirth und auf Seiten der katholischen Brückenbauer Franz von Papen und Carl Schmitt. Das Verhältnis von Katholizismus und Nationalsozialismus stand von Anfang des Dritten Reichs an unter dem eigentümlichen Verhältnis „zwischen Arrangement und Widerstand“ (Siehe Rainer Bendel (Hrsg.): Die katholische Schuld? Katholizismus und Drittes Reich. Zwischen Arrangement und Widerstand, Münster (2., durchges.)2004, insbesondere auch für die folgenden Angaben. Außerdem: Joachim Maier: Die Katholiken und die Machtergreifung, in: Wolfgang Michalka (Hrsg.): Die Nationalsozialistische Machtergreifung, 1984, S. 152-167).   
Die Hauptprotagonisten der Vorgänge Ende Januar 1933, die gemeinhin als „Machtergreifung“ bezeichnet werden, waren aus katholischer Perspektive - neben den beiden Protestanten, dem Reichspräsidenten Hindenburg und dem Reichskanzler von Schleicher, und dem "Katholiken" und „Machtergreifer“ Hitler - auf Seiten des Zentrums Heinrich Brüning, Ludwig Kaas und Joseph Wirth und auf Seiten der katholischen Brückenbauer Franz von Papen und Carl Schmitt. Das Verhältnis von Katholizismus und Nationalsozialismus stand von Anfang des Dritten Reichs an unter dem eigentümlichen Verhältnis „zwischen Arrangement und Widerstand“ (Siehe Rainer Bendel (Hrsg.): Die katholische Schuld? Katholizismus und Drittes Reich. Zwischen Arrangement und Widerstand, Münster (2., durchges.)2004, insbesondere auch für die folgenden Angaben. Außerdem: Joachim Maier: Die Katholiken und die Machtergreifung, in: Wolfgang Michalka (Hrsg.): Die Nationalsozialistische Machtergreifung, 1984, S. 152-167).   
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== Eine zweite Entscheidung: Eine neue Trägerschaft für die Burg und die Auflösung des Quickborn-Älteren-Bundes ==
== Eine zweite Entscheidung: Eine neue Trägerschaft für die Burg und die Auflösung des Quickborn-Älteren-Bundes ==
Siehe hierzu: [[Burg oder Bund? Eine umstrittene Entscheidung im Jahr 1933]]
Siehe hierzu: [[Burg oder Bund? Burg Rothenfels und der Quickborn-Älterenbund im Dritten Reich]]


[[Kategorie:Helmut Zenz]]
[[Kategorie:Helmut Zenz]]

Aktuelle Version vom 30. August 2025, 14:41 Uhr

Das Scheitern der Illusionen (Januar 1933)

Am 4. Januar 1933 kam es in Köln zum Treffen zwischen von Papen und Hitler im Hause des Bankiers Schröder (Vgl. Joachim Petzold: Franz von Papen. Ein deutsches Verhängnis, München/Berlin 1995, S. 143), die der Historiker Karl Dietrich Bracher einmal als die „Geburtsstunde des Dritten Reiches“ bezeichnet hatte, weil sich die beiden hierbei auf die Reichskanzlerschaft Hitlers einigten (Karl Dietrich Bracher: Die Auflösung der Weimarer Republik. Eine Studie zum Problem des Machtverfalls, Stuttgart/Düsseldorf 1955). An diesem Tag verhandelte also von Papen hinter dem Rücken von Schleichers im Auftrag Hindenburgs mit Hitler über dessen Berufung zum Reichskanzler. Die wurde aber durch eine Indiskretion bereits am Tag darauf öffentlich.

Die Bitte von Schleichers, den Reichstag ohne die Ausschreibung von Neuwahlen innerhalb der nächsten zwei Monate aufzulösen, lehnte Hindenburg dagegen ab. Auch der Vorstand der Zentrumsfraktion sprach sich am 20. Januar 1933 gegen diesen Plan aus.

Vom 20. Januar 1933 an verdichteten sich die Gerüchte, daß die Stellung des Reichskanzlers von Schleicher erschüttert sei, weil ihm der Reichspräsident von Hindenburg unter Einfluß Papens, Hugenbergscher Hinterleute und des Sohnes Hindenburg sein Vertrauen entziehen wolle. Es wurde von einem Kabinett Papen-Hugenberg mit nationalsozialistischer Beteiligung geredet (Kunrat von Hammerstein-Equord: Spähtrupp, 1963, S. 36, zuvor in: Frankfurter Hefte, 11, 1956, S. 122).

Am 22. Januar 1933 besuchte Planck seinen früheren Mentor Brüning im Krankenhaus und holte sich vermutlich Rat angesichts der ziemlich hoffnungslosen Lage.

Für die Regierung ergaben sich Schwierigkeiten, weil Hindenburg fürchtete, die Nationalsozialisten würden ihre Drohung wahrmachen und Anklage – gemäß Artikel 59 der Reichsverfassung – wegen verfassungswidrigen Verhaltens am 20. Juli 1932 bei der Absetzung der (sozialdemokratischen) preußischen Regierung erheben (Pufendorf, a.a.O., S. 307. Kunrat von Hammerstein-Equord: Spähtrupp, 1963, S. 37, zuvor in: Frankfurter Hefte, 11, 1956, S. 122; Irene Strenge: Machtübernahme 1933. Alles auf legalem Weg?, 2002, S. 99).

Von Papen hatte inzwischen den Nuntius Orsenigo aufgesucht mit der Bitte, ihm eine Brücke zum Zentrum zu bauen, was dieser jedoch ablehnte (Rudolf Morsey: Der Untergang des politischen Katholizismus, Stuttgart/Zürich 1977, S.84).

Am 26. Januar 1933 bestätigte die Reichstagsfraktion des Zentrums die Entscheidung vom 20. Januar 1933 gegen eine Auflösung des Reichstags geschlossen.

Zwei Tage später, am 28. Januar 1933, schrieb daher der Zentrumsvorsitzende, Prälat Ludwig Kaas - mit Unterstützung Heinrich Brünings und Joseph Wirths - in einem offenen, in der Berliner Zeitung “Germania” und der “Kölnischen Volkszeitung” veröffentlichten und noch am selben Tag dem Reichspräsidenten zugestellten Brief an Reichskanzler von Schleicher, in dem er gegen die „notstandrechtliche Verschiebung des Wahltermins“ sowie “gegen die das gesamte Staatsrecht relativierenden Grundtendenzen von Carl Schmitt und seinen Gefolgsmännern” protestierte und stattdessen eine sofortige Ansetzung der Wahl forderte (Zitiert nach Heinrich August Winkler: Weimar 1918-1933. Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie, München 1998, S. 82).

Ebenfalls an diesem 28. Januar hatte von Schleicher letztendlich die Fortsetzung der Regierung mit diktatorischen Mitteln gefordert, was Hindenburg jedoch abermals verweigerte und stattdessen von Schleicher postwendend entließ.

Weitere zwei Tage später, am 30. Januar 1933 verteidigte sich Schmitt in einem Brief an Kaas für sein bisheriges Vorgehen in der gesamten Auseinandersetzung: “Ich relativiere nicht das Staatsrecht, sondern kämpfe gegen einen Staat und Verfassung zerstörenden Missbrauch, gegen die Instrumentalisierung des Legalitätsbegriffes und gegen einen wert- und wahrheitsneutralen Funktionalismus” (Zitiert nach Piet Tommissen: Bausteine zu einer wissenschaftlichen Biographie (Periode 1888-1933), in: Helmut Quaritsch (Hrsg): Complexio Oppositorum, Berlin 1988, S. 53; Carl Schmitt: Nachbemerkung zu: ders.: Legalität und Legitimität, 1985, S. 350). Schmitt war der Überzeugung, dass die Haltung des Zentrums, die ihn zum Verfassungsfeind stempelte, Hitler den Zugang zur Macht erst ebnete. Zu diesem Zeitpunkt hätte – so Schmitt - die Beschreibung einer “legalen Revolution”, wonach “eine Partei durch die Tür der Legalität eintritt, um diese Tür dann hinter sich zu schließen” , als Warnung vor Hitler verstanden werden müssen (Carl Schmitt: Nachbemerkung zu `Legalität und Legitimität´, in: Verfassungsrechtliche Aufsätze, Berlin 1958; (2)1973, S. 345). Ausgerechnet an diesem Tag wurde aber eben jener Hitler zum Reichskanzler berufen, die nationalsozialistische Machtergreifung in Deutschland nahm ihren Lauf.

Enttäuscht und in seiner eigenen konservativ-revolutionären Haltung völlig konsequent beantragte Planck bereits am 30. Januar 1933 seine Entlassung, am 14. Juli 1933 wurde er in den Ruhestand versetzt, so dass er „im Unterschied zu vielen anderen Hochkonservativen, darunter auch Glum … nicht mit dem NS-Regime“ selbst kollaborierte (Rüdiger Hachtmann: Wissenschaftsmanagement im „Dritten Reich“. Geschichte der Generalverwaltung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, Bd. 1, Göttingen 2007, S. 118).

Ausgerechnet Glum beschreibt später in seiner Autobiographie Planck als hochkonservativen Intriganten, vermutlich weil er aufgrund der früheren engeren persönlichen Beziehungen von Plancks Vorgehen enttäuscht war.

Glum hatte bereits 1930 über den „geistigen Inhalt der faschistischen Idee“ die Auffassung vertreten, dass diese Idee das Gegenteil des „materialistischen Geistes“ sei, auch das Gegenteil von „Streit und Zank“, insbesondere auch das Gegenstück zu den „Kämpfen politischer Cliquen im Parlamentarismus“. So sei der Faschismus „die modernste und lebensfähigste politische Doktrin“ (Friedrich Glum: Das geheime Deutschland, 1930, S. 9, S. 11f., S. 15 und S. 18). Zu diesem Zeitpunkt war er noch skeptisch, ob der Faschismus auch in Deutschland möglich sei (ebd., S. 21) und plädierte für eine “Aristokratie der demokratischen Gesinnung” (Untertitel des Buches) und eine “Demokratie der Herzen“. Außerdem sprach er sich sich für eine plebiszitäre Präsidialdikdatur, aber gegen jegliche „Parteidiktatur“ ausgesprochen (ebd., S. 70): „Würde heute bei uns ein Mussolini auftreten, wie er ein Staatsmann, der die Nöte der Zeit sieht, und eine plebiszitäre Diktatur begründen, wir würden sicher gut tun, ihm zu folgen. Aber … ich fürchte, das deutsche Volk würde ihm nicht folgen.“ Noch im Herbst 1933 sah Glum in Hitler eine Art deutschen Mussolini, allerdings in der Hoffnung, dass sich „auch die nationalsozialistische Bewegung“ in den „totalen Staat“ einordnen werde (iehe Glum, Die geistige Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, in: Berliner Börsen-Zeitung, 4. Oktober 1933, zitiert nach Wolfgang Schieder: Mythos Mussolini. Deutsche in Audienz beim Duce, 2013, S. 312). Noch am 24. Februar 1936 hielt Glum in Rom über „Die geistigen Grundlagen des Nationalsozialismus und Fascismus“ (vgl. dazu Rüdiger Hachtmann: Wissenschaftsmanage-ment im „Dritten Reich“. Geschichte der Generalverwaltung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, Bd. 1, Göttingen 2007, S. 341f.).

Letztlich ging es dabei wohl bei beiden um unterschiedliche Einschätzungen zu Brüning und ihrem jeweiligen Verhältnis zu ihm. Während Glum von sich selbst sagte, dass er den Kanzler Brüning verehrt habe, habe Planck sich in militärisch-schnodderiger Weise dahingehend geäußert, „daß man die Kanzlerschaft Brünings im Reichswehrministerium als ein Experiment ansehe, das gemacht werden müsse, das man im Nichtbewährungsfalle aber auch durch ein anderes ersetzen könne, etwa in dem Sinne: wenn es dieser nicht schafft, dann müssen wir eben einen anderen suchen“ (Friedrich Glum: Zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Erlebtes u. Erdachtes in 4 Reichen, 1964, S. 396).

Korrekt ist einerseits, dass weder Schleicher noch Planck in der Endphase der Kanzlerschaft Brünings sich als besonders loyal erwiesen hätten und auf andere Optionen setzten. Ähnlich wie Planck sah auch Schleicher schon sehr bald ein, dass er einen Irrweg beschritten hatte. Dagegen ist umgekehrt fraglich, ob Brüning inhaltlich tatsächlich mehr auf der Seite der Glums Ideen von einem weitgehend faschistischen "Geheimen Deutschland" in Form einer plebiszitären Diktatur gestanden hat, wie Glum bei seiner memorialen "Verehrung" Brünings es nahelegt.

Letztlich sind historisch gesehen all jene durchaus christlich und auch katholisch geprägten Versuche gescheitert, die Hitler-Papen-Allianz unter der Schirmherrschaft Hindenburgs zu verhindern, schon früh die von Brüning und seinem Kreis, zu dem als Mentor auch Guardini zu zählen ist, aber dann auch sowohl die von Planck unter Schleicher als auch die von Glum, mit denen beiden Guardini öffentlich über die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft oder privat entweder über die Kempners oder Burg Rothenfels gut bekannt war (siehe jeweils in den Personenartikeln).

Der Katholizismus und die Machtergreifung

Die Hauptprotagonisten der Vorgänge Ende Januar 1933, die gemeinhin als „Machtergreifung“ bezeichnet werden, waren aus katholischer Perspektive - neben den beiden Protestanten, dem Reichspräsidenten Hindenburg und dem Reichskanzler von Schleicher, und dem "Katholiken" und „Machtergreifer“ Hitler - auf Seiten des Zentrums Heinrich Brüning, Ludwig Kaas und Joseph Wirth und auf Seiten der katholischen Brückenbauer Franz von Papen und Carl Schmitt. Das Verhältnis von Katholizismus und Nationalsozialismus stand von Anfang des Dritten Reichs an unter dem eigentümlichen Verhältnis „zwischen Arrangement und Widerstand“ (Siehe Rainer Bendel (Hrsg.): Die katholische Schuld? Katholizismus und Drittes Reich. Zwischen Arrangement und Widerstand, Münster (2., durchges.)2004, insbesondere auch für die folgenden Angaben. Außerdem: Joachim Maier: Die Katholiken und die Machtergreifung, in: Wolfgang Michalka (Hrsg.): Die Nationalsozialistische Machtergreifung, 1984, S. 152-167).

Von Papen wurde von Hitler zum Vizekanzler gemacht, nachdem er sich maßgeblich am Sturz der Regierung Schleicher beteiligt und damit Hitler den Weg zur Macht geebnet hatte. Das langjährige Zentrumsmitglied von Papen hatte sich schon 1924 für eine sogenannte „Bürgerblockregierung“ aus Zentrum, DDP, DVP und DNVP (statt SPD) und 1925 für eine Wahl Hindenburgs, also gegen den Kandidaten seiner eigenen Partei, Wilhelm Marx, eingesetzt. Aufgrund seiner wirtschaftlichen Macht, zum Beispiel in Bezug auf die Zentrums-Zeitung „Germania“, wurde der von vielen Zentrumsmitgliedern geforderte Ausschluss von Papens nicht vollzogen. Erst nach seiner von seinem Freund Kurt von Schleicher betriebenen Ernennung zum Reichskanzler war von Papen selbst am 3. Juni 1932 aus der Zentrumspartei ausgetreten. Am Tag darauf hatte Hindenburg den Reichstag aufgelöst, und bot nach der Reichstagswahl am 31. Juli 1932 schließlich gemeinsam mit von Papen im August 1932 Hitler die Vize-Kanzlerschaft an, die dieser jedoch ablehnte.

Am 1. Februar 1933, also am Tag nach der Machtergreifung, wurde der Reichstag erneut aufgelöst und die Neuwahl auf den 5. März angesetzt. Gleichzeitig veröffentlichte die neue Regierung einen Aufruf, in dem verbal mit den „November-Parteien“ abgerechnet wurde, die Deutschland in den vierzehn Jahren der Republik ruiniert hätten (Morsey, a.a.O., S. 97).

Am 11. Februar 1933 war Schleicher „nahezu vier Stunden“ zu Besuch bei Brüning: „Es war das letzte Mal, dass ich ihn sah. Er schilderte mir die Vorgänge, und wir sprachen über die Vergangenheit. Er erzählte mir, dass Hitler ihm bei der Verabschiedung gesagt hätte, es sei das Erstaunliche in seinem Leben, dass er immer dann gerettet würde, wenn er sich selbst schon aufgegeben habe. Schleicher erzählte Einzelheiten, äußerte sich sehr vornehm über den Reichspräsidenten. Es war nicht notwendig zwischen uns beiden, auch nur ein Wort über diesen Fall zu wechseln. Dagegen war er leidenschaftlich aufgebracht gegen Papen und den Sohn Hindenburg. Ich hatte tiefes Mitleid mit ihm. ...“ (Brüning, Memoiren, a.a.O., S. 648f.) Darauf bezieht sich wohl auch die briefliche Äußerung von Treviranus gegenüber Nelly Planck: Seitdem Schleicher gegenüber Brüning „bekannt hatte, dass er einen Irrweg gegangen sei, war auch der Schatten verschwunden, den die Maitage 1932 auf ein zum Zweifel neigendes Gemüt geworfen hatten“ (Pufendorf, a.a.O., S. 313).

Zu den Wahlen am 5. März 1933 trat die DNVP gemeinsam mit dem Stahlhelmbund als „Kampffront Schwarz-Weiß-Rot“ an. Die mäßigen 8 Prozent reichten gemeinsam mit den Nationalsozialisten schließlich 51,9 Prozent aller Stimmen zu erreichen. Von Mai 1933 an wurde die Umbenennung der DNVP in „Deutschnationale Front“ vorgenommen, was aber nicht verhindern konnte, dass die DNVP Ende Juni 1933 schließlich auch zur Selbstauflösung gezwungen wurde.

Guardinis Kontakte zu den Haupt- und Nebenprotagonisten der Machtergreifung

Während des gesamten Zeitraums hatte Guardini lediglich über den Sombart-Kreis Kontakte zu Carl Schmitt bis zu dessen vorübergehenden Ausschluss, bis Mai 1933 und dann wieder ab ca. 1938/39 wieder Kontakte zu Martin Heidegger, ansonsten keine nachweislichen Beziehungen zu einem der anderen Haupt- oder Nebenprotagonisten der „nationalen Revolution“, wohl aber zu den Kräften des Zentrums, die sich um Brüning, Wirth und Kaas gruppierten, zumal er ja nach eigenen Angaben, wie gesehen, Mitglied der Zentrumspartei war.

Die Kontakte Guardinis zu Brüning, Wirth und Schmitt wurden bereits besprochen, zu von Schleicher und Papen sowie Hindenburg und Hitler sind direkt keine Kontakte bekannt, ebensowenig wie zu Kaas. Zur Einschätzung der Haltung Guardinis muss hier aber der historische Verlauf kurz nachskizziert werden.

Die religiöse Offenheit der Gegenwart

Siehe hierzu: Die religiöse Offenheit der Gegenwart

Eine erste Entscheidung: Freiwilliger Arbeitsdienst statt Hitlerjugend auf Burg Rothenfels

wird noch ausgeführt

Rede: Für das Vaterland

Siehe hierzu: Vaterland. Ansprache in der Heiligen Messe am Tage der Hausübernahme des freiwilligen Arbeitsdienstes auf Burg Rothenfels

Eine zweite Entscheidung: Eine neue Trägerschaft für die Burg und die Auflösung des Quickborn-Älteren-Bundes

Siehe hierzu: Burg oder Bund? Burg Rothenfels und der Quickborn-Älterenbund im Dritten Reich