Hans Carossa

Aus Romano-Guardini-Handbuch

Hans Carossa

Biographie

Carossa galt als „Einzelgänger von unbedingter Integrität und Noblesse“ (Carl Zuckmayer: Geheimreport, hrsg. von Gunther Nickel und Johanna Schrön, Göttingen 2002; München (Taschenbuchausgabe)2004, S. 23). Ähnlich beschreibt ihn auch Fritz Klatt (Hans Carossa: Seine geistige Haltung und sein Glaubensgut, Wismar 1937).

Carossa hatte 1933 die Aufnahme in die Preußische Dichterakademie abgelehnt und kam 1939 aufgrund seiner humanistisch-weltbürgerlich begründeten Kriegsgegnerschaft mit den Nationalsozialisten in Konflikt (vgl. Hans Carossa: Wirkungen Goethes in der Gegenwart (Rede vom 8. Juni 1938 vor der Goethe-Gesellschaft in Weimar), Leipzig 1938.).

Da er trotz alledem ein „volkhafter“ Autor war, wurde er von nationalsozialistischen Zeitschriften immer wieder vereinnahmt. Umgekehrt wurde Carossa immer nachgiebiger gegenüber Anfragen aus dem NS-Kulturbetrieb, zumal sich ihm dadurch Möglichkeiten boten, Verfolgten zu helfen (vgl. Hans Carossa: Ungleiche Welten, Wiesbaden 1951, S. 103-105) und dem „edleren geheimen Deutschland“ beiseite stehen zu können (ebd., S. 60), auch wenn dies bedeutete, „über sehr wesentliche Erscheinungen der Gegenwart hinwegschweigen“ (ebd., S. 79) zu müssen.

Zuckmayer war dennoch davon überzeugt: „Wenn der schmutzige Nazinebel weicht, wird auf seinem Bild kein Fleck oder Hauch zurück bleiben“ (Zuckmayer, Geheimreport, a.a.O.).

Persönliche Beziehung

Guardini ist persönlich wohl mit dem seit 1929 in Seestetten bei Passau lebenden Arzt und freien Schriftsteller Hans Carossa erst nach 1945 bekannt geworden, nämlich über die „Bayerische Akademie der Schönen Künste“ (Abteilung Schrifttum) und die „Romain-Rolland-Gesellschaft“, in der beide von 1954 bis zu Carossas Tod 1956 gemeinsam Vizepräsidenten waren.

Guardini kannte und schätzte Hans Carossas Werk und verwandte bestimmte Aphorismen häufiger, so dass mitunter von Guardinis "Lieblingszitaten" die Rede ist.

Zitate aus: Eine Kindheit - "einander sehr genau betrachten"

  • "einander sehr genau betrachten, heißt schon einander unrecht tun." (Hans Carossa: Gesammelte Werke, Bd. 2: Eine Kindheit; Verwandlungen einer Jugend; Das Jahr der schönen Täuschungen; Der Arzt Gion (Erzählung); Wirkungen Goethes in der Gegenwart; Zwei Briefe (Die Traumversammelten. Zur Entstehungen einer Jugendgeschichte), Wiesbaden 1949, S. 36; ursprünglich: Eine Kindheit, 1922, S. 44; dann in ders.: Eine Kindheit und Verwandlungen einer Jugend, 1934, S. 52; auch: Eine Kindheit und Verwandlungen einer Jugend, 1953, S. 37)

Vgl. dazu Gerl, 1985, S. 15 und 375 (Verweis unter verkürztem Titel "Kindheit und Jugend" sowie ohne Erscheinungsjahr der verwendeten Auflage = 1934); Gerl-Falkovitz, Hanna-Barbara: Leben in ausgehaltener Spannung. Romano Guardinis Lehre vom Gegensatz - Versuche zu einer Philosophie des lebendig Konkreten, in: Walter Seidel (Hrsg.): Christliche Weltanschauung. Wiederbegegnung mit Romano Guardini. Würzburg 1985, S. 60.

Hinweis: Das Zitat als eines der Lieblingszitate Guardinis findet sich allerdings nicht im bisher gedruckten Werk und ist vor allem über die Erinnerungen von Freunden verbürgt.

Zitat aus: Führung und Geleit

Guardini selbst würdigte insbesondere Carossas Buch „Führung und Geleit“ mit den Worten: „Solche Leute haben es gut, die solche Dinge erleben und es so sagen können. Aber das Erleben ist das Wichtigere – d.h. steckt das Sagenkönnen nicht in dieser Art des Erlebens schon drinnen, und gibt ihm seine schöne Klarheit?“ (161. Brief vom 25. Dezember 1933, Berlin-Eichkamp, in: Briefe an Josef Weiger, a.a.O., S. 339f.).

Zitat aus: Der Arzt Gideon - "Sehen, was ist"

In seiner Predigt „Epheta tue dich auf“ im Jahr darauf, zitierte er dann erstmals Carossas “schönes Wort: `Es ist eine unsägliche Gnade, sehen zu können, was ist.´” (Vgl. Burgbrief, 1934, Brief 11/13, August/Oktober, S. 53). Es stammt aus der Erzählung „Der Arzt Gion“ von 1931 (S. 158) und heißt im Original:

„Es ist eine namenlose Gnade, sehen zu dürfen, was ist.“

Leicht abgewandelt zitierte Guardini das Wort auch in seinen Ethikvorlesungen nach 1945 („Es ist eine unsägliche Gnade, sehen zu dürfen, was ist.“) und seinem Hölderlin-Buch von 1955 („es sei eine unerhörte Gnade, `sehen zu dürfen, was ist´“).

Guardini stimmt diesem Satz uneingeschränkt zu: Es gehe nicht um „irgendeine theoretische Einsicht oder praktische Reform, sondern wir müssen die Augen aufmachen und sehen, was ist. ... Wir können sehen, was ist: Dass die Autonomie Frevel war. Dass die Welt nicht autonomer Natur ist, sondern geschaffen. Der Mensch nicht autonomes Subjekt, sondern im Anruf Gottes Existierender. Die Kultur nicht autonome Schöpfung, sondern ein Werk, das der Mensch im Gehorsam gegen das Wesen der Dinge tun muss, worin sich die Wahrheit des Schöpfers ausdrückt. Das kann gesehen werden und bildet die Voraussetzung jener Metanoia, aus welcher allein die Erneuerung hervorgeht.“ (Romano Guardini: Ethik. Vorlesungen an der Universität München, Band 2, Mainz/Paderborn 1993, S. 1078f.)

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