Käte Friedemann

Aus Romano-Guardini-Handbuch

Käte Friedemann (1874-nach 1949) war eine deutsche Literaturwissenschaftlerin und Schriftstellerin (von Romanen, die sie aber nie veröffentlichte)

Biographie

  • Ihr Vater Edmund Friedemann (1847-1921) hatte als Rechtsanwalt, Schriftsteller und Politiker, der Mitglied der Deutschen Freisinnigen Partei war, 1890 gemeinsam mit Heinrich Rickert den „Verein zur Abwehr des Antisemitismus“ gegründet.
  • Ihre Mutter August Szkolny (1849-1903) gehörte zu den Mitbegründerinnen des Pestalozzi-Fröbel-Hauses.
  • Abitur, danach von Mai 1905 bis November 1907 Studium an der Universität Bern
  • 15. November 1907 Promotion bei Oskar Walzel mit ihrer Arbeit „Untersuchungen über die Stellung des Erzählers in der epischen Dich-tung“. Diese hat sie 1910 erweitert im Buch „Die Rolle des Erzählers in der Epik“. Durch dieses Buch wurde sie sehr bekannt.
  • Nach dem Studium lebte sie wieder in Berlin, dort Konversion gemeinsam mit mehreren Familienmitgliedern zum römisch-katholischen Glauben.
  • Mitte der 1930er Jahre Emigration nach Palästina, schließlich nach Jerusalem, mindestens bis zum Tod ihres Cousins Walter Friedemann (1872-1947), der im Januar 1947 starb
  • Im November 1949 wird sie in den Todesanzeigen ihres Bruders Ulrich Friedemann (1877-1949) als „Miss Kate Friedemann, of New Jersey“ bezeichnet. Der Infektiologe Ulrich Friedemann emigrierte 1933 nach London, von dort aus nach Boston und New York City.

Bibliographie

  • Rezension zu: Guardini, Der Gegensatz, in: Philosophisches Jahrbuch der Görresgesellschaft, Fulda, 39, 1926, S. 187-189 - https://books.google.de/books?id=DwHOAAAAMAAJ.
  • Darin übt Friedemann Kritik an der negativen Beurteilung der Romantik in Guardinis Gegensatzbuch und weist auf die „innere Bezogenheit und Verwandtschaft“ aller konkreten Gegensätze in der Romantik hin:
    • "Das Buch, das sein Verfasser selbst nur als einen Versuch bezeichnet, enthält nichtsdestoweniger eine tiefgründige Untersuchung über das Wesen des Konkreten, als dessen Lebensprinzip der Gegensatz bezeichnet wird. Diese Behauptung ist mit einer Reihe von Beispielen belegt, die alle nacheinander durchgegangen werden. Da haben wir es zu tun mit den Gegensatzpaaren Bewegung und Gestalt, Fülle und Form, Glied und Ganzes, Innen und Aussen, Produktion und Disposition, Regel und Ursprünglichkeit, Einheit und Mannigfaltigkeit, Gliederung und Zusammenhang, Einzelleben und Gemeinschaft, rationelle und intuitive Erkenntnis. -
    • Diese Gegensätze sind nicht zu verwechseln mit Widersprüchen, etwa wie "gut und böse", oder mit Tatsachen, wie "Materie und Geist". Denn das Wesen des Gegensatzes besteht gerade darin, dass die gegensätzlichen Pole einander voraussetzen. Es ist unmöglich, dass nur die eine Seite vorhanden wäre, denn existierte sie ganz rein und ausschliesslich, so höbe sie damit nicht nur ihren Gegenpol, sondern gleichzeitig sich selber auf. In jedem Extrem muss mindestens etwas auch von dem Entgegengesetzten vorhanden sein, soll es überhaupt Bestand und Lebensmöglichkeit haben. -
    • Aber dies Aufeinanderbezogensein bedeutet nun wiederum nicht, wie es die Romantik und der Monismus wollen, ein Ineinanderübergehen und Auslöschen der gegebenen Grenzen. Jede Seite des Gegensatzes steht in ihrer unverwischbaren Besonderheit da. Ein Ausgleich, eine Harmonie, ist nur ganz vorübergehend möglich, „als Durchgang einer Verschiebungsbewegung". Wollte sie dauern, so hätten wir es mit einem ausgeglichenen Energiesystem zu tun, was gleichbedeutend mit dem Tode wäre. –
    • Also kein dauernder Ausgleich, aber ebensowenig jene Einseitigkeit, die der Rundheit des Lebens Abbruch tut. "Alle Einseitigkeit ist unerlaubte Vereinfachung." -
    • Was also sollen wir tun, wenn es weder statthaft ist, die [188] Gegensätze zu verwischen noch sie einseitig herauszustellen? - Verfasser wendet sich gegen jene Auffassung, die da meint, das Leben werde sich schon ganz von selbst regulieren jeder Einzelne solle nur den Blick auf die von ihm vertretene Sache gerichtet halten. Er bezeichnet das als geistiges Raubrittertum und stellt ihm das Ideal des Masses und der Zucht gegenüber. Die Lösung scheint ihm in der bewussten Begrenzung auf das eigene Blickfeld zu liegen. Das heisst, der einzelne soll sich bewusst sein, dass er den einen Pol einer Gegensatzreihe darstellt, dass aber nichtsdestoweniger der andere vorhanden und an seiner Stelle berechtigt ist. Was Verfasser hier empfiehlt, ist im Grunde die echt katholische Haltung, die die ganze Fülle des Vorhandenen objektiv anerkennt, auch dessen was ausserhalb der subjektiven Einstellung liegt, ohne dabei für die eigene Person das Recht des sich persönlichen Hinneigens zu einem besonderen Teil dieses Ganzen zu leugnen. -
    • Die dauernd reine Verwirklichung jedes Gegensatzes, der für den Menschen nur einen Grenzfall bedeuten kann, ebenso wie das harmonische Beieinander der aufeinander bezogenen Pole ist nur bei Gott möglich. Der Mensch vermag einen solchen Grenzwert nur im Untergang zu verwirklichen. Von hier aus beleuchtet der Verfasser die tiefe Bedeutung des christlichen Opfergedankens. Das Höchste, Gott, wie er sich uns in Christus zum Lebensinhalt bietet, kann von Seiten des Menschen nur im "Untergang der Natur" erreicht werden. "So müssen solche Einzelne bereit sein, Untergehende zu werden, damit in ihrem verbrennenden Leben jene Werte uns andern leuchtend aufgehen". -
    • Dies ist auch die tiefste Bedeutung des Kreuzesopfers Christi. Wie ist nun von diesen Gegensatzgedanken aus Weltanschauung möglich? – Niemals dadurch, dass wir innerhalb der Gegensätze stehen bleiben, sondern nur, indem wir uns über sie stellen, indem wir einen Standpunkt ausserhalb der Welt gewinnen, der dennoch der Welt zugewandt ist. Dieser Standpunkt ist nur möglich, wenn wir uns auf den Boden der Offenbarung stellen. "Weltanschauung ist, endgültig gesehen, der Blick Gottes auf die Welt: der Blick Christi." Indem wir an Christus glauben, stellen wir uns auf seinen Standpunkt und nehmen an seinem Blicke teil. Dies ist der Blick, der die Gegensätze umfasst, ohne sie zu verwischen. Denn Verfasser verwahrt sich ganz entschieden dagegen, dass die real vorhandenen Gegensätze etwa im Verhältnis von Wert und Unwert zu einander stünden.
    • Damit wäre in grossen Zügen der Grundgedanke von Guardinis Buch bezeichnet. Im einzelnen sei noch hingewiesen auf die Haltung des Verfassers gegenüber dem Erkenntnisproblem, in dem es sich ja heute leider immer mehr zu einem feindlichen Verhalten seiner Träger, der Intellektualisten und Intuitionisten, zuspitzt. Verfasser betont, dass in diesem Auseinanderreissen der beiden Seiten der Erkenntnistätigkeit sich eine spezifisch moderne Haltung kennzeichne. Weder die Antike (hier wird [189] besonders auf Plato verwiesen) noch das Mittelalter habe sie gekannt. Verfasser sieht die Lösung des Konfliktes darin, dass das Konkrete allerdings niemals durch Begriffe, sondern immer nur von der Intuition aus aus erfasst werden könne. Begriffe aber seien imstande, der Intuition Gegenstand , Richtung und Weg vorzuschreiben. -
    • Sehr dankenswerte Untersuchungen bietet das Buch auch über das Wesen der Freiheit, dieses schon so oft behandelten philosophischen Problems. Hier wird der Frage durch den Gesichtspunkt des Gegensatzes eine neue Seite abgewonnen. Auch beim Freiheitsproblem handelt es sich um eine Gefahr, die darin besteht, dass sich die wählende Instanz dadurch dass sie sich völlig unabhängig von allem ausser ihr Seienden macht, damit von der lebendigen Seinsfülle abschnürt. Lebendig frei ist der Mensch nur, wenn er gleichzeitig wahlfrei und wesenswirksam ist. -
    • Nicht ganz gerecht, scheint es mir, wird der Verfasser dem Wesen des Romantischen, in dem er nur die Tendenz zur Verwischung der wesensnotwendigen Gegensätze erblickt. -
    • Es soll hier nicht davon gesprochen werden, welche Fülle fruchtbarer Keime die romantische Bewegung noch ausserdem in die Welt gestreut hat. Bleiben wir einmal bei ihrem Verhältnis zu den Gegensätzen des Lebens stehen. Da drängt sich uns doch das eine auf: Wenn tatsächlich, wie der Verfasser selbst zugibt, die Gegensätze im Allerletzten aufeinander bezogen sind, so war es eben die Romantik, deren Blick stärker auf diese innere Bezogenheit und Verwandtschaft, als auf die mehr an der Oberfläche liegende Verschiedenheit eingestellt war. Und so möchte ich denn auch in diesen beiden Haltungen, die wir kurzweg als die romantische und die klassische bezeichnen wollen, ein berechtigtes Gegensatzpaar erblicken. Klassisches und romantisches Verhalten der Welt gegenüber sind allerdings grundverschieden. Aber ich glaube, auch sie gehören nicht in die Kategorie der Seinsweisen, die der Verfasser als „Widersprüche“ bezeichnete. Auch sie stellen notwendig aufeinander bezogene Gegensätze dar. Denn romantische Geisteshaltung wird die Welt stets davor bewahren, in starren Formalismus zu verfallen, während der klassische Geist die Fülle des Lebens zur Form zwingt und sie dem Chaos entreisst. Und so, glaube ich, fällt das Romantische und das Klassische als dessen Gegensatz mit dem zusammen, was der Verfasser selbst als das Gegensatzpaar „Fülle und Form“ bezeichnet. Und es war einer der führenden Romantiker, es war Friedrich Schlegel, der an den verschiedensten Stellen seiner Werke immer von neuem betont, dass Gott sei der „ Hauptbegriff der Einheit und Fülle".
    • Berlin-Zehlendorf. Käte Friedemann"

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